BKU-Abendgespräch mit Jürgen Deppe: „Aufmerksamkeitsökonomie und Qualitätsstandards“

BKU-Abendgespräch mit Jürgen Deppe: „Aufmerksamkeitsökonomie und Qualitätsstandards“

Beim BKU-Abendgespräch am 23. Oktober 2024 referierte Jürgen Deppe, Moderator bei NDR Kultur und Mitherausgeber der Literaturzeitschrift „Aspekte“, über die Herausforderungen der heutigen Medienwelt und die Balance zwischen Aufmerksamkeit und journalistischer Qualität. Die Moderation übernahm Dr. Rüdiger von Stengel, Mitglied des BKU-Vorstands.

Jürgen Deppe eröffnete das Abendgespräch mit einem Zitat des berühmten Publizistikwissenschaftlers Emil Dovifat: „Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern.“ Dies bringe die derzeitige Herausforderung für Medien auf den Punkt, so Deppe, denn Aufmerksamkeit sei heute eines der höchsten Güter.

Besonders Medien, die auf tiefgehende Recherchen setzen, kämpften in der aktuellen wirtschaftlichen Lage mit knappen Ressourcen und einer schwierigen Anzeigenlage. Hinzu komme die Frage, welches Publikum überhaupt noch an umfassender Berichterstattung interessiert sei.

Ökonomie der Aufmerksamkeit: Laut, schrill und spektakulär

Der Architekt Georg Franck habe das Phänomen der „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ noch mit Blick auf die Aufmerksamkeit des Einzelnen als Währung beschrieben. In Zeiten zunehmend rationierter, weil mit Angeboten überfluteter Aufmerksamkeit sähen sich die Medien heute gezwungen, in den Wettbewerb um Klicks und Einschaltquoten einzusteigen – „egal ob öffentlich-rechtlich oder privat“, betonte Deppe.

Es zähle oft der lauteste und schrillste Beitrag, und das greife einen tiefen menschlichen Urinstinkt auf. Die zunehmende Bedeutung von Klicks als Währung im Mediengeschäft verzerre dabei häufig die Bedeutung tiefgründiger und sorgfältiger journalistischer Arbeit, deren Ergebnisse trotz politischer Relevanz oft nicht hinreichend Leser finden würden.

Zwischen berechtigter Empörung und Skandalisierung

Deppe verwies auf den Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen, der zwischen gesellschaftlich relevanter – und berechtigter, weil an nach Verbesserung der Gesellschaft strebender – Empörung und reiner Skandalisierung um ihrer selbst willen unterschieden habe.

Während Boulevardmedien gezielt Skandale inszenierten, seien soziale Medien eine unkontrollierte Plattform, die durch Shitstorms Aufmerksamkeit generiere. Diese Mechanismen führten dazu, dass sich auch seriöse Medien zunehmend mit der Frage beschäftigen müssten, wie sie relevant bleiben, ohne ihre Werte zu verraten.

Journalistische Werte in Zeiten digitaler Medien

Als unverzichtbare Werte für den Journalismus nannte Deppe die Wahrhaftigkeit und Werte des Grundgesetzes, ergänzt durch christliche Werte. Der Deutsche Presserat sei dafür eine wichtige Instanz, da er bei Verstößen gegen den Pressekodex Rügen aussprechen könne. Qualitätsmedien setzten verstärkt auf interne Qualitätssicherungen und eigene Faktenchecks, so Deppe. Der Fall Claas Relotius sei hier ein Weckruf für die gesamte Branche gewesen.

Deppe erinnerte zudem daran, dass digitale Medien einst für ihre emanzipatorische Kraft gefeiert wurden, da sie ermöglichten, Wahrheiten ohne Einfluss von Chefredaktionen oder Verlagen zu veröffentlichen. Heute werde jedoch die Kehrseite deutlich, erklärte Deppe, insbesondere in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie, in denen Desinformation und Falschmeldungen schnell und unkontrolliert verbreitet werden konnten.

Medienkompetenz vielfältig und gezielt fördern

Die Stärkung der Medienkompetenz sieht Deppe als entscheidend an, um die Gesellschaft gegen Desinformation zu wappnen. Er betonte, dass es von wesentlicher Bedeutung sei, schon junge Menschen zu sensibilisieren, um bewusster mit Medien umzugehen. Dazu gehöre, die Absender von Botschaften kritisch zu hinterfragen: Wer spricht, mit welchem Interesse? Und an wen richtet sich die jeweilige Information?

Ein grundlegendes Verständnis dieser Mechanismen könne dabei helfen, gezielt zwischen Informationen, Meinung und interessengeleiteten Inhalten zu unterscheiden. Gleichsam gelte es, die Medienbildung gezielt voranzutreiben. Formate wie das Projekt „Journalismus macht Schule“ böten Ansätze, jungen Menschen die Welt der Medienproduktion näherzubringen und ein kritisches Verständnis zu fördern.

Auch längere Inhalte werden noch nachgefragt

Trotz der Herausforderung durch die Aufmerksamkeitsökonomie zeigte sich Deppe auch optimistisch: Formate wie gut recherchierte Podcasts oder die „New Adult“-Literatur auf Plattformen wie „BookTok“ auf TikTok verdeutlichten, dass tiefgehende oder zumindest langformatige Inhalte weiterhin gefragt seien. So zeichne sich eine Gegenbewegung zur Schnelllebigkeit ab, die auf tiefere Inhalte und Leseformate setzt.

Gleichzeitig betonte Deppe, dass kurzformatige Inhalte auch ansprechend und informativ zugleich gestaltet werden könnten. Als Beispiel verwies er dabei auf den TikTok-Kanal „BR literally“ des Bayerischen Rundfunks (BR).

Auch wenn Medieninhalte heute vermehrt in kurzen Formaten und „Häppchen“ konsumiert würden, besonders von der jungen Generation, gelte es, einen Mittelweg zu finden zwischen der traditionellen journalistischen Seriosität und der Ansprache jüngerer Zielgruppen.

Öffentlich-Rechtliche im Spannungsfeld zwischen Ansprüchen und Reichweite

Zum Abschluss des Gesprächs richtete Deppe den Blick auf die öffentlich-rechtlichen Medien, die zunehmend hinterfragt würden – auch finanziell. Um ihre Relevanz zu wahren, müsse den Öffentlich-Rechtlichen der Zugang zu einer breiten Zielgruppe gelingen – bisweilen auch entgegen der eigenen inhaltlichen Ansprüche oder Präferenzen.

Öffentlich-rechtliche Kanäle in den Soziale Medien, etwa aus dem Content-Netzwerk „funk“, oder Sportinhalte im Fernsehen würden dabei helfen, neue Reichweite zu gewinnen und die Legitimationsbasis für die öffentlich-rechtliche Finanzierung zu stärken.

Bild: Julian Christ/Unsplash

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