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Mehr als Führung – was uns die Polizeiseelsorge lehrt – 14. Juni 2025

BKU-Wallfahrt der rheinländischen Diözesangruppen am 14. Juni 2025 in Willich-Neersen

Am Samstag, den 14. Juni 2025, fand die Wallfahrt der rheinländischen Diözesangruppen des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU) statt – in diesem Jahr mit dem Ziel Willich-Neersen, genauer: der symbolträchtigen Kapelle Klein-Jerusalem.

Bereits der Auftakt im Pfarrsaal St. Maria spiegelte das wider, was den BKU seit jeher prägt: offene Begegnung, intensiver Austausch und geistige Gemeinschaft. Die Matthiasbruderschaft Neersen hatte ein schlichtes, liebevoll zubereitetes Pilgermahl vorbereitet, das nicht nur zur Stärkung diente, sondern auch als Raum der Begegnung: Viele der Teilnehmenden trafen alte Bekannte wieder, andere fanden neu zueinander und es entwickelten sich sofort anregende Gespräche über Glaube, Wirtschaft und Leben.

Im Mittelpunkt der diesjährigen BKU-Wallfahrt stand ein nachdenklich machender und gleichzeitig praxisnaher Vortrag von Polizeidekan Rolf Hannig, der unter dem Titel „Was wir Unternehmer aus der Polizeiseelsorge lernen können“ stand. Dabei ging es Hannig ausdrücklich nicht darum, belehrend aufzutreten oder unternehmerische Ratschläge zu erteilen. Vielmehr lud er dazu ein, über Parallelen zwischen Seelsorge und Führung nachzudenken – und die Frage zu stellen: Wie sieht gelingender, menschenzentrierter Umgang im beruflichen Alltag aus?

  • Wertschätzung statt Funktionalisierung – Ein zentraler Gedanke des Vortrags war die Frage, wie wir Menschen in unseren Betrieben wahrnehmen: Sehen wir in Mitarbeitenden in erster Linie ihre Leistung, ihre Funktion – oder erkennen wir sie als Persönlichkeiten mit individuellen Bedürfnissen, Geschichten und Grenzen?
    „In jeder Uniform steckt ein Mensch“, betonte Hannig, „und das gilt nicht nur für die Polizei.“ Die klare Konsequenz: Wer führen will, muss zuhören können, sich zeigen, und in der Lage sein, die Person hinter der Rolle zu sehen.
  • Sprache schafft Wirklichkeit – Angelehnt an Wittgenstein („Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“) warnte Hannig davor, Mitarbeitende nur in Begriffen der Effizienz oder Kontrolle zu denken. Wie wir über Menschen sprechen – in Meetings, im Flur, in der Beurteilung – prägt auch unser tatsächliches Verhalten. Wertschätzende Sprache ist kein bloßes „Soft Skill“, sondern Fundament einer gesunden Unternehmenskultur.
  • Führung braucht Haltung, nicht Strategie – Hannig beschrieb seine Tätigkeit in der Polizeiseelsorge als eine Arbeit ohne Plan, aber mit Haltung. Seine Methode: Präsenz, aufmerksames Zuhören, personzentrierte Gespräche, Begleitung nach belastenden Einsätzen – und einfach „da sein“. Daraus leitete er die Frage ab, wie Führung in Unternehmen gestaltet ist: Gibt es verlässliche Ansprechbarkeit? Gibt es Räume für Supervision, Reflexion, Zwischenmenschliches?
  • Teamgeist als Kulturmerkmal – Besonders beeindruckend schilderte Hannig den ausgeprägten Teamgeist in der Polizei. Dort versteht man sich als „Gefahrengemeinschaft“ – ein Begriff, der in Unternehmen so nicht existiert, aber dennoch zur Reflexion anregt: Gibt es in meinem Betrieb einen echten Zusammenhalt? Fördern wir Gemeinschaft – oder nur Leistung?
    Mit einem Augenzwinkern fragte er: „Haben Sie in Ihrem Unternehmen einen Tag zur Förderung der Dienstgemeinschaft – wie es ihn bei der Polizei gibt?“ Eine Einladung zur ehrlichen Bestandsaufnahme.
  • Reflexion über die eigene Prägung – Ein weiterer Impuls war die Frage nach der beruflichen DNA – jener Prägung, die uns durch Ausbildung, Unternehmenskultur und gelebte Praxis formt. Hannig empfahl, sich selbst regelmäßig „supervisorisch“ zu betrachten – von oben, mit Abstand – um nicht betriebsblind zu werden. Das gelte für Seelsorger ebenso wie für Führungskräfte.
  • Wertschätzung ist keine Schwäche – Aus seinen Erfahrungen als Pfarrer und Polizeiseelsorger zog Hannig eine klare Lehre: Mitarbeitende, die sich gesehen und wertgeschätzt fühlen, bringen eher Engagement, nehmen Kritik konstruktiver an – und bleiben eher im Betrieb. Lob sei kein „Bonus“, sondern eine strategische Notwendigkeit guter Führung.
  • Führung aus christlicher Verantwortung – Polizeidekan Hannig gelang es, Brücken zu schlagen zwischen zwei Welten – der Polizei und der Wirtschaft –, die auf den ersten Blick wenig gemein haben. Doch im Kern ging es um eine gemeinsame Frage: Wie gehen wir mit Menschen um, die uns anvertraut sind? Sein Vortrag war ein Aufruf zu achtsamer Führung, echter Verantwortung und einer christlich geprägten Unternehmenskultur, in der Menschlichkeit nicht als Schwäche, sondern als Stärke gilt.

Nach dem Vortrag machten sich die Teilnehmenden auf den kurzen Pilgerweg zur Kapelle Klein-Jerusalem, einem außergewöhnlichen Ort mit großer Symbolkraft. Die Kapelle, im 17. Jahrhundert als Nachbildung der Grabeskirche und der Geburtsgrotte errichtet, macht zentrale Orte der christlichen Heilsgeschichte begehbar – und lädt zur persönlichen Andacht ein. Die Führung durch beide Geschosse der Kapelle gab Einblick in die historische Entstehung und das geistliche Anliegen dieses Ortes.

Den spirituellen Höhepunkt bildete der Gottesdienst zum Dreifaltigkeitssonntag. In seiner Predigt führte Polizeidekan Hannig einen tiefgehenden Gedanken des hl. Augustinus aus: das Bild eines Kindes, das versucht, mit einem Löffel das Meer in ein Sandloch zu schöpfen – eine kraftvolle Metapher für den menschlichen Versuch, das göttliche Geheimnis der Dreifaltigkeit zu fassen. Hannig machte Mut, das Unbegreifliche nicht als Zumutung zu sehen, sondern als Einladung zum Staunen und Vertrauen.

So endete die Wallfahrt mit einer dichten, nachklingenden Atmosphäre, die viele der Teilnehmenden noch lange begleiten dürfte – als Ermutigung zum glaubensbasierten Unternehmersein, als geistlicher Impuls und als Stärkung für Herz und Verstand.

Text: Andree Brüning

Bilder: Hedwig Mertens/Andree Brüning