
In einem Online-Talk, zu dem die Bischöfliche Akademie des Bistums Aachen und der Junge BKU im November 2024 eingeladen hatten, ging es um die Frage, ob Geld „gerecht“ sein kann. Lars Schäfers, Generalsekretär von Ordo socialis, hielt dazu diesen Impulsvortrag, der im BKU Journal 1|2025 in Schriftform veröffentlicht wurde. Im BKU Journal 2|2025 folgt ein Beitrag der Theologin Dr. Aleksandra Brand, die auch beim Online-Talk zum Thema sprach.
Bevor wir fragen, ob Geld gerecht ist, ist zu fragen, was Geld eigentlich ist. Nach scholastischer Definition fungiere Geld als Tauschmittel, Recheneinheit und vor allem von seiner Funktion als Wertaufbewahrungsmittel. Die Tausch- und Zahlungsmittelfunktion besagt, dass mit Geld Güter und Dienstleistungen unmittelbar ausgetauscht werden. Ohne diese Eigenschaft ist eine wertstabile und arbeitsteilige Wirtschaft mit Spezialisierung schwerlich vorstellbar. Die Wertaufbewahrungsfunktion ist gleichzeitig die zentrale Perspektive, mit der sich der Blick auf die Werthaltigkeit bzw. den Vermögenscharakter von Geld. Die Funktion der Recheneinheit bedeutet zudem, dass durch Geld ein Wertmaßstab geliefert wird, mit dem verschiedene Güter miteinander verglichen werden können.
Geld ist dabei nicht nur aus wirtschaftstheoretischer, sondern auch aus katholischer Sicht weder von Natur aus schlecht noch an sich gut. Es kommt darauf an, wie es verwendet wird. Geld ist erst moralisch relevant. Es ist ein Werkzeug, das je nach seiner Nutzung Gutes bewirken oder Schaden anrichten kann. Die Gerechtigkeit im Umgang mit Geld hängt davon ab, wie es erworben, verwendet und verteilt wird.
Die Kirchenväter und mittelalterlichen scholastischen Theologen haben sich ausführlich mit dem Thema Geld und Reichtum auseinandergesetzt. Ihre Schriften spiegeln die grundlegende Erkenntnis wider, dass Nutzen des Geldes den der Geldmenge, für die es das gültige Zeichen darstellt, wider.
Die Kirche anerkennt aufbauend auf diesen Ideen das Recht auf Privateigentum, betont aber zugleich noch nicht als absolut unantastbar. Reichtum besitzt eine soziale Verpflichtung. Eigentum dient und ermutigt, im Würde zu leben. Aber: Das Recht auf Privateigentum ist eingeschränkt durch das Prinzip der „universalen Bestimmung der Güter“. Alles Güter der Erde sind von Gott für alle Menschen geschaffen: Wer mehr besitzt, ist moralisch verpflichtet, mit seinen Brüdern und Schwestern zu teilen. Papst Leo XIII. formulierte dies in der ersten Sozialenzyklika von 1891 so: „Die Menschen sind daher in der Ausübung des Eigentumsrechtes nicht nur an sich selbst gebunden, sondern auch an die Allgemeinheit, welche das Wohl aller anstrebt“ (Rerum Novarum, Nr. 28).
Für die Ordnung der geldbasierten Wirtschaft bedeutet das: Die katholische Soziallehre vertritt kein bestimmtes „christliches“ Wirtschaftssystem. Jedoch hat insbesondere Papst Johannes Paul II. unterstrichen, dass eine freie Marktwirtschaft mit der unverzichtbaren Bedingung einer soliden Grundstruktur positiv zu bewerten sei, da sie „das wirksamste Instrument für die Allokation der Ressourcen und für die beste Befriedigung der Bedürfnisse“ darstelle. Zentral ist die Formulierung der Enzyklika „Centesimus annus“ (1991), in der die grundlegende und positive Rolle des Unternehmens, des Marktes, des Privateigentums und der daraus folgenden Verantwortung für die Produktion betont und gewürdigt wird; sofern die Marktwirtschaft nicht schrankenlos, sondern durch eine solide Rechtsordnung eingehegt ist. Denn ein vom Wettbewerbsprinzip geprägter Markt kann als ein „wirkungsvollstes Mittel“ betrachtet werden, „um wichtige Ziele der Gerechtigkeit zu erreichen“.
Das „Gerechte“ am Geld im heutigen wirtschaftlichen Kontext liegt also nicht nur in seiner Funktion als Tauschmittel, sondern auch in seiner Fähigkeit, als Motor für Investitionen, Innovationen, Kapitalbildung und Marktfunktion zu wirken. In der modernen Wirtschaft unterstützt Geld den globalen Handel, fördert technologische Fortschritte und hilft dabei, wirtschaftliche Risiken zu steuern und zu stabilisieren. Es ist daher eine fundamentale Grundlage des wirtschaftlichen Fortschritts und der sozialen Entwicklung.
Denn marktwirtschaftlich generierter Wohlstand soll gemäß den Maßstäben des Solidaritätsprinzips allen gesellschaftlichen Gruppen zugutekommen, besonders jenen, die von ihm ausgeschlossen sind oder benachteiligt werden. Solidarität als Sozialprinzip ist deshalb nicht als einzugrenzender Pflichtbegriff, sondern als eine Haltung zu verstehen, die alle gesellschaftlichen Gruppen miteinander verbindet. Sie verpflichtet alle gleichermaßen, am Gemeinwohl mitzuwirken. Jeder muss sich aus diesem Verständnis dem Anspruch stellen, dass die Freiheit des Einzelnen an die Verantwortung für die gesamte Gesellschaft gekoppelt ist.
Papst Franziskus hat diesen Anspruch zugespitzt, wenn er in seiner Sozialenzyklika „Evangelii Gaudium“ (2013) den wohl nur selten zitierten Satz formulierte: „Diese Wirtschaft tötet.“ Geld soll nicht zur Spaltung der Gesellschaft führen, sondern zur Einheit und Zusammenarbeit beitragen. Papst Franziskus schreibt: Die Wirtschaft tötet, wenn sie den Menschen zum Mittel für den Profit macht und die Armen und Schutzlosen Menschen unterdrückt“ (Evangelii Gaudium, Nr. 53).
Kriterien für gerechtes Geld: Auf Basis der kirchlichen Soziallehre kann man klare ethische Maßstäbe formulieren, um die Gerechtigkeit im Umgang mit Geld zu bewerten.
Gerechter Erwerb: Geld muss auf moralisch rechtmäßige Weise erworben werden. Illegale oder unmoralsiche Praktiken wie Diebstahl, Betrug oder Ausbeutung von Arbeitskräften sind Sünde. Auch der übermäßige Konsum muss auf Gemeinwohlorientierung ausgerichtet werden und darf nicht zur Zerstörung der Umwelt und des eigenen Lebensstils führen.
Gerechte Verteilung: Geld und Reichtum sollten nicht nur bei wenigen konzentriert sein. Ein hohes Maß an Ungleichheit wird als Verstoß gegen die Gerechtigkeit angesehen. Die katholische Soziallehre betont die Verpflichtung der Reichen, ihren Wohlstand zu teilen und die Armen zu unterstützen, um die Bedürfnisse der Ärmeren zu erfüllen.
Gerechte Verwendung: Geld sollte nicht gehortet, sondern im Dienst des Gemeinwohls eingesetzt werden. Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Gesundheitswesen gelten als moralisch gerechtfertigt und notwendig, um die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern.
Lars Schäfers