Neuer Anfang – für Mönche und für Unternehmer: 2. BKU-Klostertag bei den Zisterziensern in Neuzelle

Foto: Zisterzienserpriorat Neuzelle

Michael Bommers, Leiter des BKU-Arbeitskreises „Christliche Spiritualität“ berichtet vom 2.BKU-Klostertag. Der Beitrag erschien zuerst im BKU Journal 1|2025.

In unserer Einladung hieß es: „Die Reise dorthin ist für viele eine weite, doch der Lohn wird groß sein.“ Und so war es, denn wir 25 BKU-Pilger wurden mit der Erfahrung reich beschenkt, dass der Wahlspruch der Zisterzienser „Patent portae – magis cor“, das heißt: „Unsere Türen stehen offen – das Herz noch viel weiter!“ in Neuzelle wirklich gelebt wird.

Was „Neuer Anfang“ bedeutet, das konnten wir zunächst durch unseren BKU-Freund Johannes Kauka und unseren geistlichen Berater, Dr. Christian Stenz, in eindrucksvoller Weise erfahren. Den ersten Impuls schenkte uns Johannes Kauka, Unternehmer aus Berlin, zum Thema: „Wie mich der Glaube als Herzblut-Unternehmer prägte und trägt!“ Johannes Kauka berichtete, wie er in einer heilen Familie und Welt groß geworden ist und ihn Gott in Höhen und Tiefen auch seines beruflichen Lebens stets begleitet habe. „Filii dei sumus!“, d. h. „Kinder Gottes sind wir!“ ist Ausdruck seines Gottvertrauens.

Das tägliche Gebet unseres Freundes dürfen wir hier wiedergeben:

Herr, dieser Tag und was er bringen mag,
sei mir aus deiner Hand gegeben.
Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Du bist der Weg, ich will ihn gehen.
Du bist die Wahrheit, ich will sie sehen.
Du bist das Leben, lass mich umwehen.
Leid und Kühle, Glück und Glut, alles ist gut, so wie es kommt.
Gib, dass es mir frommt.
In deinem Namen, Herr, beginne ich!
Amen.

Pater Kilian Müller OCist, Subprior und Ökonom im Kloster Neuzelle, überraschte uns mit einer Kombination von Vortrag und Rundfahrt zu seinem Thema: „Historie – Utopie – Vision: von der Barockkirche Neuzelle über die sozialistische Planstadt Eisenhüttenstadt zum Klosterneubau“. Eingangs bemerkte Pater Kilian schmunzelnd, er empfinde es als „geistlich riskant“, die DDR am Marienfest des 7. Oktober 1949 gegründet zu haben.

In der Barockkirche formulierte der jung gebliebene Mönch einleitende Worte zu seinem Orden, den er als „Bau-Orden“ bezeichnete. Die Stiftskirche nannte er eine „alte Dame mit ganz viel ‚make-up‘“. Die ursprünglich gotische Kirche wurde nämlich im 17. Jahrhundert barockisiert und im 18. Jahrhundert prachtvoll umgestaltet. Pater Kilian verwies auf die Emmaus-Perikope im Chorraum der Stiftskirche. Das bekannte Emmaus-Evangelium hat für die hiesigen Zisterzienser eine ganz besondere Bedeutung. Insofern unterscheidet Pater Kilian den Ort der Erkenntnis von dem Ort des Bleibens. Das trifft für die Ankunft und Klosterneugründung der hiesigen Zisterzienser ganz und gar zu.

Dazu sagt Pater Kilian an anderer Stelle Folgendes: „Neuzelle liegt vor den Toren Berlins an der polnischen Grenze in der brandenburgischen Diaspora mit nur rund drei Prozent Katholikenanteil. Im Umkreis von zwei Autostunden gibt es kein anderes Kloster mehr. Von Anfang an wurde deutlich, dass wir hier am richtigen Platz sind. Viele Begegnungen, kleine und große Wunder sowie zahlreiche Unterstützer bestärken uns darin bis heute. Da sich die historische Abtei seit 1817 in staatlichem Eigentum befindet und vielfach anderweitig genutzt wird, steht sie für eine klösterliche Nutzung nicht mehr zur Verfügung. Wie durch ein Wunder fanden wir die Möglichkeit, 75 Hektar der im Mittelalter an die Zisterzienser gestifteten und 1817 enteigneten Klostergründe zurückzukaufen. Gemeinsam mit unserer Mutterabtei Heiligenkreuz, dem Bischof von Görlitz und dem Volk Gottes bauen wir hier allen Widrigkeiten dieser Zeit zum Trotz ein neues Kloster. Bereits jetzt schickt der Herr uns viele Interessenten und sogar schon den zweiten Novizen.“ (Quelle: Flyer Zisterzienserkloster Maria Friedenshort).

Dieses Kloster soll präzise 60 Stadien, also etwas mehr als elf Kilometer entfernt von der heutigen Stiftskirche entstehen – dieselbe Entfernung also wie von Jerusalem nach Emmaus. Gemeinsam haben wir Eisenhüttenstadt sowie besagtes früheres Stasi-Gelände erkundet. In Eisenhüttenstadt lebten früher 58.000 Einwohner, heute noch 24.000. Die zentrale Allee führt zum Hüttenwerk, passend zu dem Versprechen alter Zeiten „Stahl – Brot – Frieden“.

Wir machten einen Spaziergang auf dem schon teilsanierten Waldgrundstück, auf dem der Klosterneubau erfolgen soll. Auf einem kleinen Hügel, dem höchsten Punkt des Geländes, steht ein Holzkreuz genau da, wo früher die Spionageantenne in den Himmel ragte. Ein guter Tausch. Die Zisterzienser errichten an den Orten ihres Wirkens zunächst immer ein Holzkreuz ohne Korpus, quasi eine Inbesitznahme durch unseren Herrn Jesus Christus.

Den abschließenden dritten Impuls lieferte uns der geistliche Berater des BKU-Bundesverbandes, Dr. Christian Stenz. Diesen überschrieb er mit „Der große Neuanfang und die vielen kleinen Neuanfänge eines ehemaligen Managers, der Priester wurde“. Dr. Stenz ließ uns teilhaben an seiner bewegenden Berufungsgeschichte. In seiner Jugend prägten ihn besonders seine Großmutter, die trotz zahlreicher Schicksalsschläge in der Kriegs- und Nachkriegszeit nie am Glauben zweifelte, und seine Mutter, die ihm die Schönheit der Liturgie und die Kirchenmusik nahebrachte.

Für seine Fragen zur Vergewisserung seiner Berufung fand er als Abiturient zunächst keinen richtigen Ansprechpartner. Alleine fehlte der Mut, der Berufung auf die Spur zu gehen – eine Lehre für den späteren Seelsorger, für seine spätere Seelsorgepraxis ein Hinweis, genau hinzuhören, wenn es gilt, Berufungen zu begleiten. Unter anderem bei dem großen französischen Pharmakonzern Sanofi machte er als Personalleiter in Deutschland und später in Asien eine gute Karriere. Doch seine Suche nach Sinn fand in den Eitelkeiten des Managerlebens keine Erfüllung.

Durch Zeiten der Besinnung und Klostererfahrungen kam die Gewissheit der Berufung zum Priestertum und der Münsteraner Bischof Felix Genn nahm ihn als Priesteramtskandidaten auf. Dr. Stenz spricht von einem grundlegenden neuen Anfang im Jahr 2008. Bei seinem Impuls mahnte er dazu, den „eigenen Glauben in Konsequenz zu leben“. Im Hinblick auf seine derzeitige Tätigkeit als Bundespolizeipfarrer spricht er von „aufsuchender Seelsorge“, die man aber auch an anderer Stelle als Priester in dieser Zeit üben und pflegen solle. Dieses tiefe Glaubenszeugnis eines Spätberufenen nahmen alle Anwesenden mit großer Dankbarkeit auf.

Unsere gemeinsame Wallfahrt nach Neuzelle hat mein Herz in besonderer Weise berührt. Es ist diese besondere Freundlichkeit und Aufmerksamkeit – mit uns, mit jedem und untereinander –, die Treue und Disziplin im Gebet, der Sinn für das Schöne und eben die Spiritualität dieser jungen Zisterzienser-Pioniere, die meiner Frau und mir so nahe gegangen sind. Wenn es in diesen Tagen über unseren an Ostern verstorbenen Papst Franziskus heißt, er sei ein Mann gewesen, der den Glauben wahrhaft verkörpert habe, so kann man dies in aller Bescheidenheit wohl auch von diesen jungen Zisterziensermönchen behaupten. Sie leben in Gemeinschaft mit und für Gott und sind als solche gut erkennbar.

Michael Bommers