Leistungsbereitschaft in christlicher Verantwortung: Bericht von der Jahrestagung des Jungen BKU in Köln

Die Jahrestagung des Jungen BKU in Köln vom 23. bis 25. Mai hatte ein mutiges Anliegen. Unter dem Motto „Leistungsbereitschaft in christlicher Verantwortung” wurde – zwischen dem Lokal “Die Ex-Vertretung”, der Aposteln-Aula und dem Domforum – ausgelotet, wie die junge Generation die Zukunft trotz Unsicherheiten in Welt und Wirtschaft hoffnungsvoll und unternehmerisch gestalten kann. Diesen Anspruch des diesjährigen Jahrestreffens der Jugendorganisation des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU) pflegte Lioba Müller, Vorsitzende des Jungen BKU, während der drei gehaltreichen Tagungstage zu unterstreichen. Die Tagung mitorganisiert hatten die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), vertreten durch Dr. Georg Schneider, sowie die Kölner BKU-Diözesangruppe um Benjamin Heidkamp.
In der Kölner Gastronomie „Die Ex-Vertretung“ eröffnete Müller die diesjährige Jahrestagung des Jungen BKU vor historisch dekorierter Kulisse – unter anderem war Adenauer selbst auf vielen der den Saal zierenden Bilder zu sehen. Unter den anwesenden jungen christlichen Führungskräften darum, die Krisen der Gegenwart auch als Chance zu begreifen, gemäß dem Motto der Tagung „Leistungsbereitschaft in christlicher Verantwortung“ zu beweisen. Schneider zeigte sich dankbar, dass es Institutionen wie den BKU gibt, die sich aus katholischer Warte „für eine geregelte, eine Soziale Marktwirtschaft“ einsetzten und bewiesen, dass Unternehmer – entgegen manchem Vorurteil – aktiv zur Lösung gegenwärtiger Probleme beitragen können. Der Tagung gab er unter Rekurs auf einen der namhaftesten Vertreter der Katholischen Soziallehre, den früheren Kölner Erzbischof, Regierungsberater und BKU-Mitgründer Joseph Kardinal Höffner, eine passende Losung mit: „Mehr Höffner wagen!“.
Der erste Referent der Tagung, der Historiker Prof. Dr. Ulrich Schlie, eröffnete seinen Impulsvortrag mit einem historischen Exkurs über Krisen als Phasen beschleunigten politischen Wandels. Der erfahrene Sicherheits- und Strategieexperte gab den Anwesenden einen kenntnisreichen Einblick in die zunehmend unübersichtliche politische Weltlage: vom Ende des amerikanischen Zeitalters bis hin zur geopolitischen Neuordnung der Welt. Kritik übte Schlie an der in den letzten Jahrzehnten mangelnden politischen Bereitschaft Deutschlands, eine eigene diplomatische und militärische Strategie zu verfolgen und proaktiv für die eigene Sicherheit zu sorgen – notfalls auch unabhängig von den USA. Mit Blick auf die wachsende Bedeutung asiatischer Länder im Spiel der Mächte gelte es, strategische und sicherheitspolitische Rahmenbedingungen und Verträge auf EU-Ebene klug zu gestalten.
Auf die USA als transatlantischen Partner dürfe auch unter der Trump-Administration nicht verzichtet werden – vielmehr müsse sich darum bemüht werden, die USA auch weiterhin für eine strategische Partnerschaft mit Europa zu gewinnen. Die gehaltreiche anschließende Diskussion mit dem Referenten wurde von Jannik Abt, Chefredakteur des traditionsreichen christdemokratischen Debattenmagazins CIVIS mit Sonde, gut vorbereitet, kritisch und humorig moderiert. Am Ende rief Schlie dazu auf, „auch wenn um einen herum Chaos ist, Strukturen der Ordnung aufrechtzuerhalten“, die Menschen- und Völkerrechte zu schützen, und sich für unsere im Grundgesetz zur Geltung kommenden, gemeinsamen Normen und Werte einzusetzen.
Der zweite Tag begann mit einem gemeinsamen Morgengebet in der romanischen Basilika St. Aposteln, geleitet von Domkapitular Dr. Dominik Meiering, dem Geistlichen Berater der Kölner BKU-Diözesangruppe. Die auf das Grußwort von Lioba Müller folgenden Impulse eröffnete Hermann Gröhe, Bundesgesundheitsminister a. D. und Vize-Vorsitzender der KAS. Als Erstes wandte sich der CDU-Politiker gegen den „Generalverdacht“, dass sich Ethik und Erfolg widersprächen oder man sich als Christ im Berufsalltag zwischen beidem entscheiden müsse. Dass Christen besser führen würden, verneinte Gröhe zwar – gleichsam enthalte der christliche Glaube das Potenzial, gute Führungskräfte aus uns zu machen. „Ohne meinen Glauben würde ich mit vielen Dingen, auch mit meinen Erfolgen, nicht so richtig umgehen können“, erklärte der erfahrene Politiker.
Auch die Bedeutung des christlichen Menschenbilds im Berufsalltag sprach Gröhe an: Mitarbeiter dürften nicht als Mittel zum Zweck behandelt werden, sondern müssten als mit gleicher Würde ausgestattet betrachtet werden. Um erfolgreich und effizient zu sein, müssten Führungskräfte lernen, Verantwortung zu übertragen und Mitarbeiter zur Wahrnehmung dieser Verantwortung zu befähigen, wie Gröhe mit Beispielen aus seiner politischen Arbeit illustrierte. Passend dazu kam Gröhe auch auf die wichtige Rolle der Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden zu sprechen: „Es ist gut, wenn es Institutionen gibt, die den Willen, Gutes zu tun, schützen!“ Die Sozialpartnerschaft habe „wesentlich zum Erfolgsmodell der Sozialen Marktwirtschaft beigetragen“. Zugleich warnte Gröhe vor politischen Ideologien, die eine abstrakte Menschheitsliebe proklamierten: Ohne die entsprechenden fachlichen und kommunikativ-sozialen Fähigkeiten könne sogar Nächstenliebe zur Ideologie werden.
Den zweiten Impulsvortrag des zweiten Tages hielt Domkapitular Dr. Dominik Meiering. Der Leitende Pfarrer der Kölner Innenstadtgemeinden trat mit einem Stapel Bücher ans Rednerpult. In all diesen Büchern gehe es zwar dem Titel nach um „Führung“, tatsächlich aber handelten sie alle – wie ein Großteil der bekannten Literatur zur Personalführung – eher von „Leitung“, so Meiering. Was aber ist der Unterschied zwischen den Begriffen „führen“ und „leiten“? Gut zu führen, erklärte der Geistliche Berater der BKU-Diözesangruppe Köln, sei eine Sache des Charakters, gut zu leiten hingegen ein Werkzeug. Um den Unterschied zu verdeutlichen, griff er zu Begriffen der scholastischen Philosophie: Leitungsfähigkeiten wären für gute Führungskräfte akzidentiell – also nicht essenziell. Führung hingegen sei von substanzieller Bedeutung. Um gut zu führen, wäre es notwendig, „Menschen zu lieben“ und „selbstständig im Change“ zu sein. Mit Blick auf Eigenschaften, die eine gute Führungskraft nicht haben solle, verwies Meiering auf die Sieben Todsünden, deren Lehre „im Kern viel Wahrheit“ in sich trüge. Stattdessen betonte er: „Wer in die Führung gehen will, muss Demut haben.“
Führungskräfte müssten „demütig hören, was andere sagen, um darauf zu reagieren.“ In dem Zusammenhang erinnerte Meiering an den Papsttitel des Servus servorum Dei („Diener der Diener Gottes“). Führungskräfte dürften sich weder Neid noch Zorn, aber auch nicht der Trägheit hingeben und wie die Figur des russischen Adeligen Oblomow aus dem gleichnamigen Gontscharow-Roman enden, der vor jeglicher Handlung zurückschreckt. Muster solcher Antriebslosigkeit, die zu Führungslosigkeit führt, erkannte Meiering beispielsweise auch in der Lokalpolitik und schlussfolgerte: „Räte sind wichtig, aber es braucht auch die Entscheidung.“ Entscheidungen müssten „klar, richtig und schnell“ sein. Zugleich müsse aber auch die Meinung des jeweils anderen gehört werden. In der Gesellschaft gehe dieser demokratische Grundkonsens jedoch zunehmend verloren – Ziel sei es nun, den anderen nicht anzunehmen, sondern zu vernichten. Unter Rekurs auf Henry Ford, Ignatius von Loyola und Albertus Magnus appellierte Meiering, dass aber „nur die Annahme der Wirklichkeit“ zur Möglichkeit führe, diese zu verändern.
Vor dem ersten Podium der Tagung sprach Dr. Hans-Joerg Naumer, Global Head of Capital Markets & Thematic Research bei Allianz Global Investors. Unter Bezug auf Psalm 8 und das Gleichnis von den anvertrauten Talenten erklärte er, dass Leistung „von Gott gewollt“ und Teil des Schöpfungsauftrags sei. Andersherum sei es zudem eine Sünde, „Talente zu vergraben.“ Es sei „unmoralisch und menschenunwürdig“, „Menschen dazu zu verleiten, ihre Talente zu vergraben“, wie Naumer mit Blick auf sozialpolitische Konzepte formulierte, die Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft eher dämpfen als fördern. Schließlich erinnerte Naumer daran, dass Ordnungspolitik christliche Wurzeln hat. Oft werde vergessen, dass eine christlich-sozialethisch geprägte Denkschrift des Freiburger Bonhoeffer-Kreises aus dem Jahr 1943 als Blaupause für die Soziale Marktwirtschaft diente.
Das Podium selbst eröffnete David Dekorsi, Manager Public Affairs beim Bundesverband der Freien Berufe (BFB), mit den Worten: „Die Frage nach Leistung ist keine rein funktionale, sondern eine zutiefst menschliche: nach Sinn, Verantwortung und Identität.“ Dr. Juliane Kronen, CEO bei innatura gGmbH, die fabrikneue Konsumgüter vor der Entsorgung rettet und an soziale Einrichtungen verteilt, erklärte, Leistung sei in Deutschland „unter die Räder gekommen“. Neben ihrer unternehmerischen Tätigkeit engagiert sie sich gegen Regelungen, die dazu führen, dass Spenden sich für Unternehmen weniger lohnen als Entsorgung: „Unternehmer sollten den Anspruch haben, die Rahmenbedingungen mitzugestalten.“
Dr. Hans-Joerg Naumer, Global Head of Capital Markets & Thematic Research bei Allianz Global Investors, appellierte an junge christliche Führungskräfte: „Es ist unsere Berufung, zu leisten. Berufung folgen heißt Sinn erfahren.“ Christian Rueckold, Head of Corporate Strategy und Transformation Officer bei Currenta GmbH & Co. OHG, merkte an: „Arbeit und Leistung haben in Deutschland ein schlechtes Framing bekommen.“ Sein Feuerwehr-Ehrenamt, so Rueckold, habe er nie als Arbeit empfunden. In seiner Branche, der Chemieindustrie, gehe es nicht nur um Profit, sondern auch um soziale Verantwortung. Energiekosten seien oft höher als Personalkosten: „Wir können uns teure Jobs leisten, wenn wir eine gute Energiepolitik haben.“
Hannes Groß, Direktor des Instituts für christliche Organisationskultur, wies darauf hin, dass es viele Einrichtungen und Führungskräfte herausfordere, Sinn und Leistung zu vereinen. Caritas-Pflegekräfte nehme er oft als sehr erfüllt wahr – „aber die Dokumentationspflichten sind eine Erfüllungsbremse“. Dennoch hätten christliche Führungskräfte mit der Heiligen Schrift und der Tradition besondere Möglichkeiten.
Daniel Scheen-Pauls, MdL und Landesvorsitzender der CDA NRW, zeigte sich „froh über jeden Menschen, der als Arbeitgeber Verantwortung übernimmt“ und forderte einen Abbau bürokratischer Hürden für „mehr Eigenverantwortung“. Nur so könnten Unternehmen mehr Wohlstand und so auch mehr Geld für das Gemeinwesen erwirtschaften. Auch Groß betonte, die Politik müsse im Sinne der Subsidiarität der Gesellschaft zurückgeben, was sie an sich gezogen habe. Dekorsi konstatierte eine „Verschiebung der Verantwortung“. Naumer betonte, dass diese politische „Vollversorgungsmentalität ökonomisch untragbar“ sei. „Subsidiarität beginnt bei uns!“
Sigrid Marz, Präsidentin des internationalen christlichen Unternehmerverbands UNIAPAC, erklärte in ihrem Grußwort: „Wir glauben daran, dass wir nur als Gemeinschaft unsere Mission erfüllen können!“ Die Mission des Verbands, dem auch der BKU angehört, laute: „Wir fördern und stärken diese internationale Gemeinschaft christlicher Unternehmer und unseren Einfluss in der Gesellschaft, um gemeinsam und durch unsere Unternehmen dem Gemeinwohl und der Menschheit zu dienen und so unsere edle Berufung in die Welt zu tragen.“ Wenn bei UNIAPAC vom Unternehmertum als „edler Berufung“ die Rede ist, knüpft dies an eine Ansprache von Papst Franziskus beim Weltkongress 2022 an, in der er das Unternehmertum als „noble vocation“ würdigte
Der BKU-Bundesvorsitzende Dr. Martin Nebeling nutzte sein Grußwort – neben einer Danksagung an den Vorstand des Jungen BKU und seine Sprecherin Lioba Müller – um daran zu erinnern, dass die Soziale Marktwirtschaft auch aus der katholischen Soziallehre erwachsen sei. Sie sei zudem das „Fundament unseres Verständnisses von gelingendem Unternehmertum“, so Nebeling, der den Jungen BKU als „verwurzelt in der Sozialen Marktwirtschaft“ charakterisierte.
Im Anschluss kamen die Teilnehmer in wechselnden Kleingruppen mit christlichen Unternehmern ins Gespräch. Zu den Gesprächspartnern zählten unter anderem: Dr. Rüdiger von Stengel, Gründer von Art-Invest Real Estate Management und BKU-Bundesvorstandsmitglied; Christiane Underberg, ehemalige Geschäftsführerin des Familienunternehmens Semper idem Underberg AG; Maria Fischer, Geschäftsführerin der Personalberatung Fischer HRM; Thomas Gäde, Vorstandsvorsitzender der Stiftung der Cellitinnen zur Heiligen Maria; Dominik Kaven, Geschäftsführer des Ferienwerks Köln; Yannik Kohlhaas, Co-Founder von Power2Polymers; sowie Frank Felden, Managing Director und Senior Partner bei BCG. Thilo Stoll, Vorstandsmitglied des Jungen BKU, betonte anschließend, der BKU sei nicht nur eine starke katholische Wertegemeinschaft, sondern auch ein Raum für wirklich tiefe, den eigenen Horizont erweiternde Gespräche.
Am Abend hatten die Teilnehmer an einer exklusiven Abendführung mit Domkapitular Dr. Dominik Meiering durch den Fernwärmetunnel unter dem Rhein sowie über die Dächer des Kölner Doms teilgenommen. Beim anschließenden Abendessen in der Malzmühle sprachen Dr. Michael Gude (CEO, Cologne Chip AG) und Philipp Gude (CSO, GUDE Systems GmbH) über unternehmerische Führung.
Der dritte Tag der Tagung war dem generationenübergreifenden Austausch gewidmet. Im Domforum leitete Benjamin Heidkamp das zweite Tagungspodium. Hermann-Josef Johanns berichtete von seiner Tätigkeit als wichtiger Mitarbeiter des Kölner Erzbistums. Nach Stationen bei der Deutschen Krankenversicherung in Berlin und dem Kölner Gerling-Konzern kam das Angebot, den berühmten und für viele Katholiken prägenden Weltjugendtag 2005 samt Besuch von Papst Benedikt XVI. zu organisieren. So wurde Johanns zu einem zentralen Mitarbeiter des Erzbistums – auch bei der Organisation des Eucharistischen Kongresses 2013 oder als Geschäftsführer des Domradios in schwieriger Zeit. Sein Zeugnis zeigte zweierlei. Erstens: Führung von Mitarbeitern braucht Vertrauen und Nächstenliebe. Zweitens: Auch bei beruflichem Erfolg ist Gott guter Ansprechpartner. „Ich muss bei irgendeinem danke sagen“, so Johanns.
Nadia von Oesterreich, Head of People & Culture beim Cleantech-Startup MAGNOTHERM, erzählte von den zwei Performance Reviews, die sie täglich durchführe – in Verantwortung vor ihrem Arbeitgeber und in Verantwortung vor Gott. „Gott hilft mir!“ Zugleich betonte sie den Wert von Familie und Freunden: „Karriere ist eine Sache, aber es geht auch darum, wer links und rechts neben mir ist.“ Die wichtige Rolle des Glaubens im Beruf unterstrich auch Dr. Harald Rubner, Vorsitzender der BKU-Diözesangruppe Köln, CFO bei Power2Polymers und Senior Partner Emeritus bei BCG, wo er ein christliches Netzwerk mitbegründete. In schwierigen Lagen habe Rubner um Antworten gebetet – und diese auch erhalten. Auf seinen weltweiten Dienstreisen habe er zudem stets Wert daraufgelegt, den Gottesdienst zu besuchen. Trotz aller Unterschiede in der Weltkirche sei die katholische Kirche „eine Institution, die über kulturelle Unterschiede hinweg Einheit und Identität generiert“ – und die er in seinem Leben nicht habe missen wollen.
Nathanael Feder, Arzt und Praxisgründer, berichtete, wie christliche Werte in seinem ärztlichen Alltag ganz konkret, von menschlichem Angesicht zu Angesicht, gelebt werden – und welche unerwarteterweise Hoffnung spendenden Erfahrungen er in seiner Praxis schon gemacht hat. Thilo Stoll, Senior Projektleiter in der Sportwagenbranche und Lehrbeauftragter, verdeutlichte, dass wertvolle eigene Erfahrungen Ansporn sein können und sollten, der Welt Wertschätzung zurückzugeben: ob im Umgang mit Kunden oder in der Weitergabe von Wissen.