Wirtschaft und Europa stärken, Migration ordnen – BKU-Vorsitzender fordert nach der Wahl Kurswechsel
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Dr. Martin Nebeling, Bundesvorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU), fordert im Interivew mit dem katholischen Radiosender radio horeb einen politischen Richtungswechsel nach der Bundestagswahl: Bürokratieabbau, bezahlbare Energiepreise und wirtschaftsfreundlichere Rahmenbedingungen sollen die deutsche Wirtschaft wieder stärken. Gleichzeitig plädiert er für eine geordnete Migrationspolitik, die zwischen dringend benötigten Fachkräften und unkontrollierter Zuwanderung unterscheidet. Zudem sieht Nebeling die europäische Zusammenarbeit als essenziell, um auf dem globalen Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Gleichzeitig müsse die Verantwortlichkeit des Einzelnen gesamtgesellschaftlich gestärkt werden.
Deutschland zwischen Fachkräftemangel und Personalabbau
Nebeling stellte fest, dass das fehlende Wirtschaftswachstum nicht nur im Hinblick auf die Steuereinnahmen problematisch sei, sondern auch für die gesamte Gesellschaft. Deutschland habe sich in einen gewissen Pessimismus verstrickt, gleichzeitig könne man die wirtschaftlichen Probleme nicht übersehen. „Wir haben eine relativ hohe Anzahl an Insolvenzen und ich merke als Arbeitsrechtler, dass sich der Beratungsschwerpunkt derzeit stark auf den Abbau von Personal verlagert hat. Vor einigen Jahren war es umgekehrt, da ging es um den Abschluss neuer Arbeitsverträge“, erklärte Nebeling. Dies sei eine besorgniserregende Entwicklung für die wirtschaftliche Zukunft des Landes.
Die drohende Arbeitslosigkeit sieht Nebeling differenziert. „Wir haben nach wie vor einen Fachkräftemangel, und viele Unternehmen halten Beschäftigte, selbst wenn sie nicht mehr voll ausgelastet sind. Das liegt auch am Kurzarbeitergeld, das dazu beiträgt, dass Arbeitnehmer im Betrieb bleiben, obwohl die Auftragslage nicht ausreichend ist“, sagte er. Zwar bedeute der Abbau von Arbeitsplätzen erhebliche Einschnitte für Betroffene, dennoch könne es für andere Unternehmen, die dringend Fachkräfte suchten, eine Entspannung bringen. „Man muss Chancen und Risiken abwägen“, betonte er.
Bürokratieabbau, Rahmenbedingungen und ein starkes Europa
Für eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland sieht Nebeling erheblichen Handlungsbedarf in der Politik. „Neben Optimismus brauchen wir verbesserte Rahmenbedingungen, insbesondere beim Bürokratieabbau“, so Nebeling. Derzeit seien Unternehmen durch regulatorische Anforderungen wie ESG-Vorgaben (Environmental, Social, Governance) erheblich belastet. „Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Bestandteil der Katholischen Soziallehre, aber was wir aktuell erleben, ist ein Bürokratiemonster“, kritisierte er. Besonders die hohen Energiepreise seien eine Belastung, die dringend angegangen werden müsse. „Sobald es Lösungen für diese Probleme gibt, wird auch das wirtschaftliche Wachstum wieder einsetzen“, zeigte sich Nebeling zuversichtlich.
Auf die Frage nach der Bedeutung Europas für den Wirtschaftsstandort Deutschland antwortete Nebeling knapp: „Dringend.“ Deutschland brauche Europa nicht nur als Absatzmarkt, sondern auch als wirtschaftliche Schutzmacht, welche die Interessen und Maßstäbe Deutschland und Europas durchsetzt. „Wir brauchen eine Weltordnung, in der Wettbewerbsregeln von allen eingehalten werden. China betreibt Protektionismus und drückt seine Produkte unter Produktionskosten auf den Weltmarkt. Wir brauchen ein Europa, das sich dagegen wehren kann, mit einer Stimme spricht, und die Interessen Europas und damit auch Deutschlands vertritt.“, so Nebeling. Besonders in Handelsfragen und mit Blick auf Zölle müsse Europa eine stärkere Rolle einnehmen, um die eigene Industrie zu schützen und nicht zwischen den USA und China zerrieben zu werden.
Migration: Klare Regeln und pragmatische Lösungen
Ein weiteres zentrales Thema des Interviews war die Migration und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Nebeling betonte, dass es nicht ausreiche, rechtliche Erleichterungen für Fachkräfte zu schaffen, sondern auch die praktische Umsetzung verbessert werden müsse. „Ich kenne Unternehmen, die ein Jahr auf einen Termin bei der Ausländerbehörde warten müssen. Solche bürokratischen Hürden helfen niemandem“, kritisierte er. Gleichzeitig forderte er eine klare Trennung zwischen Arbeitsmigration und unkontrollierter Einwanderung.
„Niemand hat etwas gegen qualifizierte Fachkräfte, ohne die zum Beispiel unser Pflegesystem nicht mehr funktionieren würde. Aber das hat nichts damit zu tun, dass Menschen nach Deutschland kommen, um Gewalttaten zu begehen“, betonte Nebeling. „Wir müssen einerseits schneller werden bei der Integration und der Verschaffung von Aufenthaltstiteln, andererseits müssen wir aber auch restriktiver werden, um uns davor zu schützen, dass Menschen mit kriminellen Absichten einwandern.“
Fachkräftemangel, Kosten und Regulierungen bedrohen deutsche Wirtschaft
Nebeling wies darauf hin, dass der Fachkräftemangel bereits konkrete wirtschaftliche Schäden verursacht. „IT-Unternehmen finden keine Mitarbeiter und können deshalb nicht expandieren. Handwerksbetriebe und mittelständische Unternehmen leiden unter massiven Personalengpässen“, erklärte er. Besonders besorgniserregend sei die Situation im Lebensmittelhandwerk. „Immer mehr Bäckereien und Metzgereien schließen, weil kein Nachfolger gefunden wird. Das betrifft auch Apotheken und Arztpraxen auf dem Land“, warnte er. Manche Unternehmen sähen sich sogar gezwungen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern.
Zur Lage der deutschen Automobilindustrie erklärte Nebeling, dass nicht die Innovationskraft der Hersteller das Problem sei, sondern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. „Volkswagen produziert nicht in Tschechien, weil es dort mehr qualifizierte Mitarbeiter gibt, sondern weil die Kosten niedriger sind“, erklärte er. Auch hohe Energiepreise seien ein Standortnachteil. Kritisch äußerte sich Nebeling zu den politischen Vorgaben für die Automobilbranche: „Wir als BKU sind kein Freund davon, dass der Staat zu enge Rahmenbedingungen vorgibt – und ich persönlich wundere mich immer darüber, wie Politiker ohne technische Ausbildung bewerten können, ob im Jahr 2035 der Verbrennermotor noch das richtige Konzept ist“. Zudem sei die Marktverzerrung durch staatlich subventionierte chinesische Elektrofahrzeuge problematisch. „In einer Marktwirtschaft kann es kein dauerhaftes Konzept sein, Industrien künstlich zu lenken und zu fördern“, so Nebeling.
Prinzip der Personalität gerät gesamtgesellschaftlich in den Hintergrund
Abschließend sprach Nebeling über die Bedeutung der Katholischen Soziallehre in der Wirtschaft und darüber hinaus. „Die Personalität, also die Würde und Verantwortung des Einzelnen, gerät immer mehr in den Hintergrund“, beobachtete er. Dies betreffe nicht nur die Wirtschaft, sondern die gesamte Gesellschaft. „Wir sehen es daran, dass immer weniger Menschen bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren, Sportvereine verlieren Mitglieder, Parteien schrumpfen“, so Nebeling. Der BKU stehe in regelmäßigem Austausch mit seinen Mitgliedern darüber, wie sie ihre Unternehmen im Sinne der Katholischen Soziallehre führten. „Es gibt in der Wirtschaft Nachholbedarf, aber es wäre zu einfach, allein auf Unternehmen zu zeigen. Wir müssen in der Gesellschaft insgesamt wieder mehr für das Prinzip der Personalität eintreten“, erklärte er.
Das vollständige Interview mit Dr. Martin Nebeling wurde am 27. Februar 2025 von radio horeb ausgestrahlt und kann in der Radio-Horeb-Mediathek nachgehört werden.