BKU-Bundestagung 2025 in Benediktbeuern: Keine Abstraktionen, sondern Leitlinien
Die diesjährige Bundestagung des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU) fand vom 10. bis 12. Oktober 2024 im Kloster Benediktbeuern statt. Unter dem Motto „75 Jahre BKU: Verantwortliches Unternehmertum als Weg aus der Krise“ kamen rund 150 Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Entscheidungsträger aus Kirche und Gesellschaft zusammen, um die Rolle der Katholischen Soziallehre in Wirtschaft und Gesellschaft zu diskutieren. Der symbolträchtige Tagungsort – das Kloster im Wiederaufbau nach schweren Sturmschäden – verlieh der Veranstaltung den Geist eines „Orts des Aufbruchs“.
Die Tagung begann mit einer Morgenandacht in der Basilika des Klosters Benediktbeuern, dem drittgrößten Wallfahrtsort des abendländischen Mönchsvaters Benedikt von Nursia. Anschließend fand die Delegiertenversammlung unter der Leitung des BKU-Bundesvorsitzenden Dr. Martin Nebeling statt. Nebeling rekapitulierte die erfolgreiche Arbeit des BKU im vergangenen Jahr und hob die Katholische Soziallehre und die Soziale Marktwirtschaft als zentrale und weiterhin aktuelle Werte des Verbandes hervor. Dr. Michael Gude, Schatzmeister des BKU, informierte über die Finanzlage. Beiträge von Lioba Müller, Vorsitzende des Jungen BKU, und Vorstandsmitglied Maximilian Mertens sowie zahlreiche pointierte Wortmeldungen von Delegierten sorgten für eine lebhafte und engagierte Versammlung.
Nach einem Mittagessen im Bibliothekssaal wurde die offizielle Bundestagung im Barocksaal eröffnet. Tagungsmoderator Andree Brüning erinnerte in seiner Einleitung an die Bedeutung Benediktbeuerns als „Ort des Aufbruchs“. Unternehmertum sei nicht nur auf Erfolg ausgerichtet, sondern auch mit gesellschaftlicher Verantwortung verbunden. BKU-Bundesvorsitzender Dr. Martin Nebeling würdigte die jungen Mitglieder des BKU, die mit frischen Ideen den Verband bereichern. Sigrid Marz, Präsidentin von UNIAPAC Europe, berichtete über die Herausforderungen katholischer Unternehmerverbände in Europa und hob hervor, dass die Soziale Marktwirtschaft in mehreren europäischen Ländern wieder neue Impulse erfahre.
Die Katholische Soziallehre in der Praxis
Dr. Christian Stenz, Oberpfarrer der Bundespolizei und Geistlicher Berater des BKU, eröffnete die inhaltlichen Impulse der Tagung mit einer Keynote zur praktischen Bedeutung der Katholischen Soziallehre. Ursprünglich Jurist und langjähriger Personalberater, stellte er die Frage, ob die Soziallehre mehr sei als „fromme Mahnungen“. Er betonte, dass die Prinzipien der Soziallehre – Personalität, Solidarität und Subsidiarität – ethische Leitlinien sind, die den Menschen ins Zentrum wirtschaftlichen Handelns stellen. Besonders hob Stenz hervor, dass die Soziallehre in der Praxis eine konkrete Dimension haben müsse und den Vorrang des Menschen vor wirtschaftlichen Systemen betone.
Dr. Andreas Makowski, CEO der DE-VAU-GE Gesundkostwerk Deutschland GmbH, sprach in seiner Keynote über nachhaltiges Unternehmertum. Er schilderte, wie christliche Werte den Weg seines Unternehmens geprägt haben, das zu den Pionieren im Bio-Bereich zählt. Makowski berichtete, dass Bibelstellen wie das Gleichnis vom Sämann für ihn Leitplanken der Verantwortung sind. Er zeigte auf, wie sein Unternehmen Mitarbeitende in Notsituationen mit Darlehen unterstützt und Wellness-Angebote bereitstellt, um ein Zugehörigkeitsgefühl zu schaffen – auch für jene, die nicht religiös sind.
Nach einer Kaffeepause folgte eine Podiumsdiskussion zur unternehmerischen Umsetzung der Katholischen Soziallehre. Moderiert wurde diese von David Dekorsi, BKU-Mitglied und Leiter Public Affairs beim Bundesverband der Freien Berufe. Dr. Christian Stenz betonte, dass die Prinzipien der Katholischen Soziallehre – insbesondere Personalität und Solidarität – nicht nur theoretisch gelehrt, sondern praktisch in der Führung gelebt werden sollten. Als positives Beispiel nannte er die Caritas, deren christliche Unternehmenskultur durch Leistung und Menschlichkeit Kunden bindet und gleichzeitig einen Marktvorteil verschafft. Besonders hob er hervor, dass das Personal als wichtigstes Kapital eines Unternehmens in der Budgetplanung nicht vernachlässigt werden dürfe.
Christliche Unternehmenskultur als Idenitätsfaktor und Marktvorteil
Peter Zur, Geschäftsführer des Caritas-Sozialverbundes Magdeburg und Vorsitzender der BKU-Diözesangruppe Magdeburg, beschrieb die finanziellen Herausforderungen in der Sozialwirtschaft. Rund 20 Prozent der Krankenhäuser und Sozialeinrichtungen stünden vor der Insolvenz, was öffentlich kaum beachtet werde. Die christliche Werteordnung sei entscheidend für den Erfolg der Caritas und auch für ihn persönlich ein großer Unterschied zum Privatsektor. Auch wenn nicht alle Führungskräfte katholisch seien, werde beim Onboarding die Bedeutung katholischer Werte für die Arbeit vermittelt.
Katharina Schüller, Geschäftsführerin von STAT-UP und Leiterin des BKU-Arbeitskreises Digitalpolitik, sprach über ethische Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz (KI) und Daten. Sie hob hervor, dass das christliche Menschenbild relevant wird, wenn der Wert menschlicher Arbeit durch KI infrage gestellt wird. Schüller betonte, dass Daten nie neutral seien, sondern durch subjektive Prozesse beeinflusst werden. Präzise Definitionen von Fairness seien notwendig, um ethische Standards zu gewährleisten.
Dr. Andreas Makowski ergänzte, dass viele Menschen, vor allem im Osten Deutschlands, eine christliche Erziehung genossen hätten, aber nicht mehr aktiv religiös seien. Trotzdem könne eine christlich geprägte Unternehmenskultur auch diesen Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl vermitteln. Diese familiäre Atmosphäre schaffe ein positives Arbeitsumfeld und zeige, dass christliche Werte auch ohne aktive Religiosität wirken können.
Pater Stefan Stöhr, Geschäftsführer des Don Bosco Werkes Deutschland, hob die Bedeutung der menschlichen Haltung in mittelständischen Unternehmen hervor. Das Engagement für benachteiligte junge Menschen sei nicht nur eine unternehmerische Aufgabe, sondern eine Berufung, die tief in den Werten der katholischen Soziallehre verwurzelt ist. Die Salesianer Don Boscos konzentrierten sich dabei vor allem auf jene jungen Menschen, die in der Gesellschaft oft vergessen werden.
Sozialpartnerschaft als Garant für sozialen Ausgleich
Am Abend des ersten Tages der BKU-Bundestagung sprach Werner Schniedermann, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft mittelständischer Verkehrsunternehmen und Mitglied im BKU-Arbeitskreis Soziale Ordnung, über die Sozialpartnerschaft als Garant für sozialen Ausgleich. Er betonte, dass eine funktionierende Sozialpartnerschaft nur dann möglich sei, wenn beide Seiten Verantwortung über die eigenen Interessen hinaus wahrnähmen.
Schniedermann kritisierte den Rückgang der Tarifbindung in Deutschland und wies auf die sozialen Risiken hin, die sich daraus ergeben könnten. Der Abend fand seinen Abschluss mit einer Eucharistiefeier in der Klosterkapelle, die von Dr. Christian Stenz geleitet wurde. Die Andacht bot Raum für Besinnung, bevor die Teilnehmer den Tag mit einem gemeinsamen bayerischen Abendessen ausklingen ließen.
Bayerns Innenminister würdigt BKU
Der zweite Tag der BKU-Bundestagung begann mit einer Morgenandacht, gefolgt von Grußworten des BKU-Bundesvorsitzenden Dr. Martin Nebeling und Pater Reinhard Gesing SDB, Provinzial der Deutschen Provinz der Salesianer Don Boscos. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hielt anschließend eine Rede, in der er den BKU als wichtigen Botschafter für ethische Werte in Wirtschaft und Kirche würdigte.
Er hob Bayerns starke Position als Wirtschaftsstandort hervor und forderte wirtschaftsfreundliche Maßnahmen wie Bürokratieabbau, bessere Fachkräfteversorgung und wettbewerbsfähige Energiepreise.
Gleichzeitig kritisierte er die Bundesregierung für das Fehlen einer umfassenden Wirtschaftsstrategie. Herrmann betonte zudem die Bedeutung der Inneren Sicherheit als Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg und verwies auf Bayerns führende Position in Deutschland mit der niedrigsten Kriminalitätsrate und der höchsten Aufklärungsquote.
Leopoldina-Studie: Auf dem Weg zur Tätigkeitsgesellschaft?
Prof. Dr. Timo Meynhardt von der HHL Leipzig präsentierte in seiner Keynote die zentralen Erkenntnisse der Leopoldina-Studie „Zukunft der Arbeit“. Er plädierte für die Entwicklung einer „Tätigkeitsgesellschaft“, in der Erwerbsarbeit, Ehrenamt und Care-Arbeit gleichwertig anerkannt werden. Meynhardt betonte, dass angesichts digitaler, demografischer und ökologischer Umbrüche ein neues Verständnis von Arbeit erforderlich sei – eines, das Sinn stiftet und Verantwortung fördert.
Er hob flexible Arbeitszeitmodelle wie Langzeitarbeitskonten und flexible Rentenoptionen als Möglichkeiten hervor, um Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Solche Modelle könnten sowohl die individuelle Entwicklung als auch das Gemeinwohl stärken. Meynhardt verband diese Ansätze mit der katholischen Soziallehre und der benediktinischen Regel „Ora et labora“ und forderte Unternehmen auf, den Wandel aktiv mitzugestalten und die Eigenverantwortung ihrer Mitarbeitenden zu stärken.
Die demografische Entwicklung als Herausforderung für den Arbeitsmarkt
Markus Behrens, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit, beleuchtete die massiven Herausforderungen des demografischen Wandels für den deutschen Arbeitsmarkt. Er warnte, dass insbesondere im Osten Deutschlands bis zu 40 Prozent der Arbeitskräfte wegfallen könnten.
Zwar könne Automatisierung dazu beitragen, diese Lücken zu schließen, doch allein werde sie nicht ausreichen. Behrens unterstrich die Bedeutung gezielter Fachkräftezuwanderung sowie von Weiterbildung, um ungenutzte Potenziale – etwa von Migranten, Menschen mit Behinderungen und Jugendlichen – besser zu fördern.
Darüber hinaus appellierte er an die Politik, Diskussionen über den Arbeitsmarkt auf realistische und datenbasierte Grundlagen zu stellen, um Verzerrungen durch populistische Narrative zu vermeiden.
Fachkräftezuwanderung und wirtschaftliche Resilienz
Dr. Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), hob die Bedeutung der Christlichen Gesellschaftslehre als Basis für eine widerstandsfähige Wirtschaft hervor. Er verwies auf Kardinal Joseph Höffners Werk, das für ihn eine prägende Grundlage darstellt, und betonte Werte wie Gemeinwohl, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit.
Neben der anhaltenden Herausforderung des Fachkräftemangels kritisierte Dercks die nach wie vor hohen Energiepreise und die ausbleibenden Reformen der Bundesregierung, etwa im Bereich des Bürgergeldes. Abschließend forderte er eine stärkere Förderung der beruflichen Bildung, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie eine gezielte Fachkräftezuwanderung, um den Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig zu sichern.
Diskussionen, Lösungsansätze und Fazit der Tagung
Im Anschluss an die Keynotes fanden Gesprächsforen mit den Referenten statt, in denen die Teilnehmer Lösungsansätze für den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel erarbeiteten. Zu den Vorschlägen zählten unter anderem die Einführung eines katholischen Kindergeldes zur Förderung junger Familien und die gezielte Fachkräfteanwerbung über internationale katholische Netzwerke.
Prof. Dr. Timo Meynhardt moderierte die abschließende Reflexion der Gesprächsergebnisse. Die BKU-Bundestagung endete mit einem gemeinsamen Mittagessen und optionalen Führungen, darunter eine Besichtigung des Benediktusweges und eine Klosterführung. Die Bundestagung 2024 zeigte eindrucksvoll, dass die Prinzipien der Katholischen Soziallehre – Personalität, Solidarität, Subsidiarität und Gemeinwohl – mehr sind als abstrakte Werte.
Sie bieten einen handlungsleitenden Kompass für eine werteorientierte Wirtschaft, die auch in Krisenzeiten Orientierung und Verantwortungsbewusstsein ermöglicht. Benediktbeuern wurde somit erneut zu einem Ort, der nicht nur den Geist des Aufbruchs verkörperte, sondern auch konkrete Wege für eine zukunftsfähige und verantwortungsvolle Wirtschaft aufzeigte.