BKU-Thesenpapier: acht impulse für den wohnungsbau

von Dr. Rüdiger Freiherr von Stengel

Die Bundesregierung hat ihre politischen Ziele im Wohnungsbau verfehlt. Fachkräfte- und Materialmangel sowie gestiegene Personal- und Materialkosten belasten weiterhin den Baumarkt, ebenso die Bürokratie und die gesetzlichen Verschärfungen.

Der Bund Katholischer Unternehmer (BKU) legt deshalb nun ein Thesenpapier mit acht konkreten Impulsen für einen nachhaltigen, gerechten, marktwirtschaftlichen und familien- und fachkräftefreundlichen Wohnungsbau vor.

Probleme des Wohnungsbaus

Nach einer aktuellen Studie von bulwiengesa und Wertgrund sind in den Jahren von 2013 bis 2023 jährlich durchschnittlich 260.000 Wohnungen statt der benötigten 400.000 Wohnungen gebaut worden – und davon 155.000 auf dem Land, obwohl die Bevölkerung mit 8% in den A-Städten am stärksten gewachsen ist. Für die Jahre bis 2040 wird ein weiterer Bevölkerungswachstum in den A-Städten von 5,6% prognostiziert, gegenüber einem erwarteten Gesamtwachstum der deutschen Bevölkerung von nur 0,5%.

Wo der Wohnraum am dringendsten benötigt wird, wird also am wenigsten gebaut. Der Zinsanstieg und die resultierende Immobilienkrise haben das Problem weiter dramatisch verschärft. Im Jahr 2023 ist die Realisierung von 142.000 geplanten Wohnungen auf Eis gelegt worden, weitere 80.000 verzögern sich in der Fertigstellung. Die Folge ist eine dramatische Verknappung auf den Wohnungsmärkten mit einhergehenden erheblichen sozialen Problemen, Fragen der Erschwinglichkeit und massiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt durch erschwerten Fachkräftezuzug.

Die Förderung des Wohnungsbaus konzentriert sich heute einseitig auf Wohnungen für sozial Benachteiligte. Angesichts des abnehmenden Bestands an geförderten Wohnungen (Ende der Bindungsfrist) und der geringen Neubautätigkeit verringert sich der Bestand an Sozialwohnungen weiter. Dies mündet insbesondere in den Städten in einem Desaster. Diese Entwicklung erhöht den Fachkräftemangel – insbesondere auch in den Bereichen von Pflege und Kindererziehung – und wirkt sich negativ auf die Geburtenrate aus, indem sie von der Familiengründung entmutigt.

Die mehrfache Verschärfung und der ausufernde Umfang von Bauvorschriften – eine Verdreifachung der Zahl der Vorschriften in den letzten 15 Jahren, insbesondere aus Energieeinspargründen – führen dazu, dass die Baukosten pro m² Wohnfläche zwischen 3.000 und 3.500 EUR/m² liegen. Inklusive Grundstück- und Nebenkosten kann man kaum unter 5.000 EUR/m² Wohnraum schaffen. In den Städten sind die Kosten noch höher. Bei 5% Kapitaldienst muss man Mieten von 20 EUR/m² erzielen, damit sich der Wohnungsbau rentiert.

Die gegenwärtige Kostenentwicklung ist alles andere als sozial und ein extremes Hindernis für den Neubau. Noch vor 15 Jahren lagen die Baukosten etwa bei der Hälfte. Bis 2022 konnten noch fallende Zinsen die gestiegenen Baukosten auffangen, sodass höhere Preise noch bezahlt werden konnten. Die einseitige Förderung des Mietmarktes führt zudem dazu, dass Deutschland im EU-Vergleich mit Blick auf Wohneigentum Schlusslicht ist, da hier nur 41,2% der Bevölkerung im Eigentum wohnen.

Als Bund Katholischer Unternehmer (BKU) regen wir eine Reihe von Impulsen für den Wohnungsbau an, die die aufgezeigten Probleme konkret adressieren.

Impuls 1: Harmonisierung und Entschlackung des Baurechts

Die zwischen den Ländern variierenden Bauvorschriften stehen einer Kostenreduktion um 20-30% durch Serienfertigung, etwa durch Modulbau, entgegen. Mit dem EH55-Baustandard und der verbundenen Förderung könnte der Wohnungsbau aus Sicht namhafter Marktteilnehmer (Wertgrund, Wohnkompanie) gut umgehen. Überbordende Bauvorschriften sind zu reduzieren oder durch entsprechende voll kompensierende Förderungen auszugleichen.

Impuls 2: Faire Behandlung des Holzbaus

Die baulichen Vorschriften für den Holzbau bedürfen einer sachgerechten Entlastung, etwa beim Brandschutz. Eine einseitige energetische Betrachtung des Betriebs gegenüber der Errichtung übersieht, dass im Holz CO2 gespeichert wird, wohingegen die Herstellung von Beton CO2 emittiert – und zwar jeweils mehr als in 50 Jahren Betrieb nach modernem Standard verbraucht wird.

Darüber hinaus hat Holz sehr viel bessere Dämmwerte, auch ohne extra Dämmung aus Kunststoffen fossilen Ursprungs. Eine zukünftige Entsorgung von Dämmmaterial führt bei Holz auch nicht zu Sondermüll. Hier bedarf es nicht nur einer negativen, sondern auch einer positiven CO2-Bepreisung. Auch für die Verdichtung durch Aufstockung bietet der Holzbau aufgrund des geringeren Gewichts des Baustoffs enormes Potenzial.

Impuls 3: Förderung der relativen CO2-Verbesserung

Jährlich werden in Deutschland nur etwa 1 % der Wohnungen neu gebaut. Eine Verschärfung der energetischen Maßnahmen im Neubau kann – selbst auf mittelfristige Sicht – nicht maßgeblich die CO2-Emission im Bereich Wohnen verbessern. Die derzeitige Förderung von Modernisierungspaketen ist häufig nicht sachgerecht: Wenn zum Beispiel bei einem in Nutzung gebrachten Untergeschoss die Bodenplatte von unten gedämmt werden muss oder gute Fenster herausgerissen werden müssen, steht der Aufwand in keinem Verhältnis zu den erwünschten energetischen Einsparungen.
In solchen Fällen rechnen sich Modernisierungs¬maßnahmen dann schlicht nicht und werden dementsprechend auch nicht durchgeführt. Wesentlich erfolgversprechender wäre es, die Anreize derart zu setzen, dass die jeweiligen Verbesserungen gefördert werden - ohne Vorgabe spezifischer Gewerke.

Zu Erreichen wäre dies - neben einer entsprechend hohen CO2-Bepreisung zur schnelleren Amortisation der gegenwärtig noch höheren Anschaffungskosten der klimafreundlichen Energieerzeuger – über eine ebenfalls CO2 bezogene Bepreisung der zur Errichtung und zum Betrieb benötigten Werkstoffe sowie der bei der Sanierung entsorgten Baustoffe. Dies würde sowohl den klimaeffizienten Einsatz der Rohstoffe sowie den Erhalt bestehender Bausubstanz fördern. Gleichzeitig werden der Recycling-Wirtschaft zusätzliche Impulse geliefert (Cradle to Cradle).

So wäre jede Verbesserung sinnvoll und es gäbe einen Anreiz, die wirkungsvollsten Maßnahmen umzusetzen.

Impuls 4: Werkswohnungen

Mit der Erhöhung der degressiven AfA (Absetzung für Abnutzung) hat der Staat bereits einen Anreiz gesetzt, dass Unternehmen in Wohnraum für ihre Mitarbeiter investieren, um so auch dem zunehmende Fachkräftemangel attraktive Angebote entgegenzusetzen. Dies könnte durch baurechtliche Befreiungstatbestände für den Wohnungsbau auf innerstädtischem Werksgelände ergänzt werden. Bei verbilligter Abgabe von Mietwohnungen an Arbeitnehmer müsste gleichwohl die volle Abschreibungsmöglichkeit auf Sanierungsaufwendungen erhalten bleiben. Die Dreijahresfrist für anschaffungsnahe Aufwendungen sollte abgeschafft werden.

Impuls 5: Befreiung längerfristiger möblierter Vermietung von der Gewerblichkeit

Heute induziert möblierte Vermietung oberhalb von Geringfügigkeitsgrenzen Gewerblichkeit mit zusätzlicher Gewerbesteuerlast. In einer Berufswelt zunehmender Projekt¬arbeit und in Studierenden-Städten, was die meisten A-Städte sind, treibt dies die Mietpreise für möblierte Wohnungen zusätzlich in die Höhe oder vermindert die Anzahl attraktiver Angebote.

Impuls 6: Förderung von Wohnmöglichkeiten für untere Lohngruppen

Eine intelligente Ausweitung des Bestands an geförderten Wohnungen und eine Verbesserung des Wohnungsangebots für untere Lohngruppen könnten erreicht werden, indem man es Unternehmen und Betreibern von Sozialeinrichtungen– etwa von Kitas und Pflegeeinrichtungen – ermöglicht, am freien Markt Wohnungen anzumieten und diese um einen Mietzuschuss (von beispielsweise 20%) vergünstigt an ihre Mitarbeiter weiterzuvermieten.

Dies würde ihre Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen, wäre leicht in einen bestehenden Abwicklungsapparat staatlicher Förderung integrierbar und würde vor allem zusätzliches Wohnungsangebot für förderbedürftige Mieter schaffen.

Impuls 7: Familienförderung durch Ersterwerb mit Grunderwerbsteuerverzicht

Es entscheidet sich häufig schon in jungen Jahren, ob eine Familie zur Miete oder im Eigentum wohnt. In Deutschland wirkt diese Tendenz leider viel zu oft der Vermögensbildung entgegen. Hinzu kommen etwaige Spätfolgen, da früh gebildetes Wohnungseigentum inflationsbedingt eines der probatesten Mittel gegen Altersarmut ist. Mit dem Familiennachwuchs steigt der Bedarf an Wohnraum, wobei zumindest temporär ein Einkommen wegfällt und es schwerer wird, Eigenkapital zu bilden und Kapitaldienst zu leisten.

Insbesondere die Nebenkosten des Erwerbs schlagen da zu Buche, da sie regelmäßig aus Eigenkapital zu erbringen sind. Allein die 6,5 % Grunderwerbsteuer in NRW (und anderen Bundesländern) machen bei einer Eigenkapitalanforderung eines Kreditgebers von 20 % schnell ein Drittel der durch Eigenkapital zu deckenden Kosten aus! Daher wäre die Befreiung des Ersterwerbs einer eigengenutzten Immobilie von der Grunderwerbsteuer ein besonders wirksames Mittel zur Förderung von Familiengründungen und privater Vermögensbildung.

Impuls 8: Familienförderung durch KfW-Nachrangdarlehen mit Teilrückzahlungsverzicht je Kind

Aus Bankensicht ist die Eigenkapitalanforderung bei niedrigen Einkommen besonders hoch. KfW-Darlehen mit Tilgungsaussetzung und Teilrückzahlungsverzicht vermindern diese Eigenkapitalanforderungen und machen so Wohnungseigentum auch für junge Familien erschwinglich. Wird dieser Teilrückzahlungsverzicht bei weiteren Kindern wiederholt, so kann dies den entscheidenden Anreiz setzen, nicht aus finanziellen Gründen auf zwei oder mehr Kinder zu verzichten.

Auch birgt eine solche familienfreundliche Darlehenspolitik das Potenzial, junge Menschen zur Familiengründung zu ermutigen und im besten Falle sinkenden Geburtenraten entgegenzuwirken. Die private Vermögensbildung würde gerade bei mittleren Einkommen und Haushalten, die nicht bereits familiär bedingt über Vermögen verfügen, gefördert.

Beispielrechnung

Eine junge Familie hat ein Nachrangdarlehen über 200.000 EUR zu 3 % aufgenommen. Der Teilrückzahlungsverzicht von 20% führt beim ersten Kind zu 10 Jahren Tilgungsverzicht. Mithin kostet das Darlehen nur 400 EUR im Monat. Die Darlehensschuld reduziert sich auf 160.000 EUR. Beträgt das Erstrangdarlehen 300.000 EUR mit einem Kapitaldienst von 5%, so könnte eine Wohnung zu 500.000 EUR bei einer Monatsrate von 1650 EUR voll finanziert werden.

15 EUR Miete für 110 m² oder 4.500 EUR je m² – beides entspricht etwa dem durchschnittlichen Mietpreis im Jahr 2023 in Köln. Die 40.000 EUR, die der Staat in dieses Kind investiert, sind ein Bruchteil der 7-stelligen volkswirtschaftlichen Gesamtleistung, die es im weiteren Verlauf seines Lebens erwirtschaften wird. Beim zweiten Kind sinkt die Darlehenslast auf 300 EUR. Sie kann schon aus dem Kindergeld bedient werden.

Der Schuldenerlass von 40.000 EUR macht es möglich, dass sich z.B. ein Elternteil ein Jahr mehr Zeit für die Kindererziehung nimmt. Nach einem dritten Kind sinkt der Zins auf 200 EUR. Nach 10 Jahren könnte eine Regeltilgung von 3 % auf den Anfangsbetrag einsetzen, sodass nach etwa weiteren 10 Jahren das KfW-Darlehen vollständig getilgt wäre – genau dann, wenn die Kinder in einer teuren Ausbildungsphase außer Haus sind. Die Restschuld auf dem Bankdarlehen beträgt bei einem Anfangszins von 3,5% 170.000 EUR. Bei 2% Inflation ist die Wohnung 743.000 EUR wert. Mithin sind 573.000 EUR Vermögen aufgebaut. Doch stellt hier nicht nur die Befähigung zur privaten Vermögensbildung ein wichtiges Argument dar.

Fazit

Der BKU ist der Meinung, dass es im Wohnungsbau gezielter, intelligenter Impulse bedarf. Nur so kann der Wohnungsbau uns dazu dienen, nachhaltig mit unserer Umwelt umzugehen, Familien zu fördern, Fachkräfte in den unteren Lohngruppen – insbesondere auch in sozialen Diensten – zu gewinnen sowie soziale Förderung und unternehmerische Anreize zugleich zu bieten

Dr. Rüdiger von Stengel ist Mitglied im BKU-Bundesvorstand und Vorsitzender der BKU-Diözesangruppe Bonn mit über 25 Jahren Erfahrung als erfolgreicher Immobilienunternehmer.

Veröffentlicht am 25.11.2024

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Aktuelles

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// Unternehmerische Verantwortung und die Zukunft der Arbeit: Bericht von der BKU-Bundestagung 2024

Die diesjährige Bundestagung des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU) im Kloster Benediktbeuern setzte entscheidende Impulse für eine werteorientierte Wirtschaft. Im Fokus stand die Katholische Soziallehre als Basis verantwortlichen Unternehmertums. Hochkarätige Vorträge und intensive Diskussionen beleuchteten die Integration christlicher Werte in den Unternehmensalltag sowie innovative Ansätze zur Zukunft der Arbeit, zum Fachkräftemangel und zur demografischen Entwicklung.

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