Unser geistlicher Berater, Dr. Hans Günther Ullrich, stellt in seinem Impuls zu Ostern die Hoffnung in den Mittelpunkt und spricht über den Grund unserer christlichen Hoffnung:
Angesichts einer wachsenden Zahl von Krisen und Erschütterungen, die in „gefühlt“ immer schnellerem Tempo über uns hereinbrechen, stellt sich die Frage nach dem, was bleibt und worauf man bauen kann, in drängender, existentieller Weise.
Von den drei theologischen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe ist die Hoffnung vermutlich die am meisten unterschätzte, und sie steht mit Karfreitag und Ostern in direktem Zusammenhang. Die Hoffnung ist für den Menschen lebenswichtig. Wer keine Hoffnung hat, der verliert die Lebensfreude, der ist in seinem ganzen Wesen gedämpft, er kann verkümmern, gar verzweifeln. Die Kraft, zu lieben, wird geschmälert. Ängste, Sorgen, Entmutigung - der Mangel an konkreter Hoffnung kann das Herz des Menschen fesseln. Auch die Wahrnehmung der Lage unserer Zeit – auch unserer eigenen Schwäche – kann zu entmutigenden Empfindungen führen.
Dann hilft es nicht, sich bloß „am Riemen zu reißen“, sondern nötig ist eine Erneuerung der Hoffnung. Sie ist die Überwindung von Angst und Entmutigung. Wie können wir die Hoffnung erneuern? Zum einen den Mechanismus der Entmutigung durchschauen. Entmutigung greift nie die Umstände an, sondern unser Denken. Die Wirklichkeit bleibt unberührt, aber unsere innere Verfassung wird beeinträchtigt. Hier sind Kräfte am Werk, die nicht von Gott sind, sondern die uns runterziehen. Gott beruft uns dazu, dass wir froh sind, dass wir Frucht bringen, dass wir uns nicht über- und nicht unterschätzen – kurz: dass wir auch in widrigen Umständen zuversichtlich bleiben. Alles vermag ich in dem, der mir Kraft gibt, so drückt Paulus es aus. Um eine solche Kraft zu sein, braucht die Hoffnung ein solides Fundament – denn sie ist mehr als Wunschdenken, Illusion, bloßer Optimismus.
Das Kreuz ist die stärkste Grundlage der Hoffnung: auf Gott zu hoffen, der alles für uns zum Guten führt, und zwar genau wegen des trostlosen Todes, den Jesus auf sich genommen hat. Er hat die letzte Nacht am Ölberg darum gerungen: Vater, wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Und dann der Schlüsselsatz: Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Es ist die Liebe ohne Grenzen, die sich hier manifestiert. Sie überwindet den Tod. Der Tod ist nur scheinbar das Ende, das Leben ersteht neu. Das ist Ostern: unser Glaube und unsere Hoffnung: Jesus ist stärker als alles Leid, alles Böse, und das ist die Zukunft, die er auch mir erschließt.
So zu glauben, ist der Weg des Jüngers, es ist der Weg der Nachfolge. Jedes Mal, wenn wir beten, wie Jesus uns gelehrt hat: Dein Wille geschehe, können Glaube und Hoffnung in uns ein wenig stärker werden. Und sie können wachsen, wenn wir Menschen begegnen, die den Weg der Nachfolge gehen – die Gemeinschaft der Glaubenden. Nach Karfreitag kommt Ostern, nach der Finsternis des Todes der helle Tag der Auferstehung – im Leben Jesu und in dem seiner Jüngerinnen und Jünger – Grund unserer Hoffnung. Christus Sieger, Christus König, Christus Herr in Ewigkeit!
Ihnen und Ihren Familien wünsche ich frohe und gesegnete, hoffnungsvolle Ostern! Domkapitular Dr. Hans Günther Ullrich, Ostern 2022