Soziale Marktwirtschaft –
Geschichte befreit für Zukunft!

16. Mai 2019 - DG Stuttgart in Tübingen - 70 Jahre BKU - 70 Jahre Marktwirtschaft

Der altehrwürdige Uhlandsaal von 1845 der Tübinger Museumsgesellschaft, besetzt mit über 100 Teilnehmern, im Altersdurchschnitt eher jünger, das war der passende Rahmen für Prof. Dr. Lars Feld und sein Thema „Voraussetzungen und Perspektiven der Sozialen Marktwirtschaft“. Cornel Pottgiesser, DG Vorsitzender in Stuttgart, hatte Prof. Dr. Lars Feld, Direktor des Eucken-Instituts und sogenannter Wirtschaftsweiser, mit „70 Jahre BKU, 70 Jahre Marktwirtschaft“ von Freiburg ins Schwäbische gelockt und gemeinsam mit dem Weltethos-Institut einen sehr anregenden Abend zu den Wurzeln, aber auch zur Zukunftstauglichkeit der Sozialen Marktwirtschaft organisiert.

„Der schillernde Begriff Soziale Marktwirtschaft vereint in Deutschland das ganze politische Spektrum; jeder kann sich das rausgreifen, was ihm passt, von Sara Wagenknecht bis Jörg Meuthen.“ Wofür steht oder besser stand der Begriff eigentlich? Wer genauer hinschaut, entdeckt, dass es mit der Marktwirtschaft nach dem Krieg um die radikale Abkehr von Industriekartellen und Planwirtschaft geht. Initiator und Motor dahinter sind die Amerikaner und ihre Hoffnung, mit einer prosperierenden Wirtschaft ein Bollwerk gegen die Ausbreitung des Sozialismus Stalins zu schaffen. Der vielschichtige Bauplan der Marktwirtschaft, die Theorie dahinter, wurde von Köpfen wie Walter Eucken, Franz Böhm, Alexander Rüstow, Wilhelm Röpke, u.a. schon seit der Weimarer Zeit entwickelt. Ludwig Erhard hatte dann den Mut, gleichzeitig mit der Währungsreform (1948) und gegen jeden Rat, die Preise frei zu geben. Alfred Müller-Armack trug die geniale Wortschöpfung „Soziale“ Markwirtschaft bei. So wurde Erhards „Wohlstand für alle“ mit dem Anspruch auf sozialen Ausgleich abgesichert.

Kern des Sozialen bildete jedoch die Überzeugung, dass eine Marktwirtschaft mit funktionierendem Wettbewerb zwischen den Unternehmen und mit starken Sozialpartnern schon von sich aus sozial ist. Auch weil sie dafür sorgt, dass keine extremen Einkommens- und Vermögensunterschiede entstehen. Das liegt u.a. an der Vermeidung von Monopolen. Beim Blick auf das Wettbewerbsrecht zeigt sich übrigens, dass sich auch die EU in vielem stark an das deutsche Modell anlehnt.

Die über das soziale Wirken des Marktes hinaus noch nötige Umverteilung geschieht anschließend über das Steuersystem. Flankiert wird das alles von Sozialgesetzen, die, aus der Bismarckzeit stammend, weiterentwickelt wurden. Daran hatte ja auch der BKU seinen Anteil (u.a. Schreiber Plan, 1955).

Alles geschieht in der Zeit. „Die sieben konstituierenden Prinzipien von Walter Eucken sind keine in Stein gemeißelten Gesetzestafeln.“ Die wirtschaftspolitische Umsetzung muss der jeweiligen Situation gerecht werden, heute ganz anders als nach dem 2. Weltkrieg.

Auf die Eingangsfrage in der Begrüßung durch Reinald Wolff, ob der Fokus der Sozialen Marktwirtschaft heute nicht primär auf Nachhaltigkeit (ökologisch, ökonomisch, sozial) liegen müsse, ging Prof. Lars Feld in der Diskussionsrunde ein.

Erste Richtschnur ist die ordoliberale Überzeugung: erst Marktkräfte, dann gezielte Anreize, wo das nicht reicht Regulierung (natürlich kommt es auf die Ziele an, die erreicht werden sollen!). Bei den Stichworten: Klimawandel, Digitalisierung, aber auch Gesundheitswesen, wurde schnell klar: das sind für sich abendfüllende Themen. Es gibt keine simplen ökonomischen Rezepte für den nachhaltigen Umgang mit Gemeingütern (Luft, Wasser, Artenvielfalt, etc.), mit Eigentumsrechten (Digitalisierung/Daten) oder mit Gesundheitsdienstleistungen.

Auf aktuelle Debatten angesprochen: Als Bundesrepublik, aber auch in Europa, fahren wir weiterhin gut damit, die subsidiären Kräfte zu stärken, statt plakative Innovations- oder Industriepolitik von oben zu betreiben. Auch im Wettbewerb mit China und den USA erscheint das vorteilhafter.

An diesem Abend ging es hauptsächlich um die Entstehungsgeschichte unserer Marktwirtschaft. Ein gutes Verständnis der Geschichte ersetzt starre Mythen und lässt uns befreiter über die Zukunft nachdenken. Die Zukunft lauerte während des Vortrags als eine Art weißer Elefant im Hintergrund und kam dann in der Diskussion zur Sprache.

Mein persönliches Fazit im Blick auf diese Zukunft:
• Die global gewaltigste ökonomische Herausforderung ist der nachhaltige Umgang mit Gemeingütern („Tragödie der Allmende“).
• Die zweite große Aufgabe bleibt, Wirtschaft (und Digitalisierung) vom „Menschen als Person“ her zu gestalten*.
• Der dritte Punkt: Lebensfähige Sozialsysteme brauchen ökonomische Nachhaltigkeit 
(der „Schreiber Plan“ von 1955 ist immer noch aktuell).

Autor: Reinald Wolff

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