„Ich halte nichts von Werten“, lautete der provozierende Einstieg von Prof. Dr. Dr. Holger Zaborowski in seinem Impulsvortrag. „Werte“ sind heutzutage in aller Munde. Dass es sich dabei eher um einen Modebegriff handelt, der aus dem Bereich der Wirtschaft in das Alltags- und Berufsleben übertragen wird, verdeutlichte der Referent im Rahmen der „Lunch Lecture“ in Neuwied. Er sprach sich für die Rückbesinnung auf die „Tugenden“ aus.
Zaborowski ist Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Vallendar und dort Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte der Philosophie und philosophischen Ethik. Sein Impulsvortrag stand unter der Überschrift „Alles ‚Werte‘ – oder was? Zur Kritik der ‚Werte‘?“.
HALTUNGEN UND TUGENDEN
Der Begriff stammt aus der ökonomischen Theorie „und dort ist er auch sinnvoll“, erklärte Zaborowski. „Doch er passt nicht zu dem, was wir ausdrücken wollen – nämlich Haltungen. Wir sprechen oft von Werten, wo Haltungen und Tugenden gemeint sind“. Dabei ließen sich Werte leicht austauschen, seien subjektiv und von Kultur zu Kultur verschieden.
Tugenden seien hingegen Haltungen, die bestimmen, in welcher Art und Weise sich Menschen in bestimmten Situationen verhalten. Tugendhafte Menschen sind tapfer, gerecht, weise, besonnen und „sie verwirklichen damit mehr, was Menschen sein können, als andere“, beschrieb Zaborowski. So hätten die Geschwister Scholl beispielsweise beim Widerstand gegen den Nationalsozialismus Haltung gezeigt.
„Tugendhaftes Verhalten lernt man durch Vorbilder“, erklärte der Referent. Übertragen auf die Arbeitswelt sagte Zaborowski: „Ein Lehrer muss Gerechtigkeit vorleben, wenn er diese unter den Schülern erwartet.“
HALT BIETEN
Wer Haltung zeigt, handelt nicht einfach nur wertorientiert. Denn Haltungen haben etwas mit der Person zu tun, damit, wie man lebt und wer man ist. Haltungen bieten Halt für andere. „Müssten wir nicht vielmehr Haltungen einüben, statt Werte zu vermitteln?“, fragte Zaborowski.
Im anschließenden Austausch stießen sich die rund 20 Teilnehmenden an der Unterscheidung der beiden Begrifflichkeiten. Ein Großteil der Zuhörerinnen und Zuhörer wollte am Begriff der Werte festhalten. „Wir können die Welt nicht auf die Zeit der Tugenden zurückbringen“, lautete ein Einwand. „Wir müssen die Werte mit Haltung vertreten“, so ein Kompromissvorschlag.
Ob nun Werte oder Tugenden – „Der Mensch ist das oberste Gut. Wir müssen uns für die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzen“, betonte Brigitte Ursula Scherrer abseits der Diskussion über die zwei Begriffe, die im Mittelpunkt dieses gemeinsamen Mittagessens standen.
Verena Völkel-Mütherich verfolgte insbesondere die Diskussion sehr interessiert. Ihr erster Besuch bei einer Lunch Lecture hat ihr gut gefallen. „Vieles war mir zwar aus meinem Studium bekannt, aber hier habe ich noch einmal eine Vertiefung und einen Ausblick erfahren“, sagte die pensionierte Lehrerin aus Bad Breisig.
„Wir gehen mit viel Material zum Nachdenken nach Hause“, fasste Michael Scheidgen, Vorsitzender der Diözesangruppe Koblenz des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU) die zweite Lunch Lecture in Neuwied zusammen.
LUNCH LECTURE
Die „Lunch Lecture“ richtet sich besonders an Unternehmerinnen und Unternehmer, an Selbstständige und Führungspersonen sowie an Akteure aus der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. Organisiert wird die Veranstaltung vom Themenschwerpunkt Arbeit der Katholischen Erwachsenenbildung im Bistum Trier und BKU. Informationen gibt es per E-Mail an themenschwerpunkt-arbeit@bistum-tier.de, auf www.keb-arbeit.de oder bei Petra Gentgen unter Tel.: 0651-993727-10.