Bei einer gemeinsamen Veranstaltung vom Lehrstuhl für Kirchenrecht der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, dem Bund Katholischer und dem Poltischen Bildungsforum Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung ging es um die Herausforderungen der Digitalisierung. Zur 4. Erfurter Debatte über Wirtschaft und Glaube kamen etwa 100 Zuhörer in das Coelicum der Katholischen Fakultät.
Die Landesbeauftragte des Bildungsforums, Maja Eib, beschrieb in ihrer Begrüßung die aktuellen Fragen der Digitalisierung und Globalisierung sowie deren Auswirkung auf die Soziale Marktwirtschaft. Sie ging dabei auf die Sorgen und Bedenken vieler Menschen ein, die die aktuelle Entwicklung kritisch sehen.
Arbeit 4.0 – Christlich-sozialethische Aspekte zu den Herausforderungen der Digitalisierung
Die Sozialethikerin Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer, seit 2011 Beraterin der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, widmete sich in ihrem Impulsreferat ebenfalls der Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft. Sie beschrieb die Veränderungsprozesse, die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zunehmend prägen. In ihren Überlegungen stellte sie die Aspekte des Wandels dar, der unter dem Stichwort Arbeitsmarkt 4.0 die Umbruchsituation im 21. Jahrhundert beschreibt. Die Professorin ging auch auf den Aspekt der Würde der Arbeit ein und schlussfolgerte, welche sozialethische Gebote künftig besondere Bedeutung erlangen werden.
Aspekte des Wandels
Nothelle-Wildfeuer beleuchtete zunächst die positiven Seiten der sich stetig weiterentwickelnden Technik: „Künstliche Intelligenz, selbstlernende Algorithmen und die Möglichkeit, große Datenmengen zu analysieren, führen dazu, dass Roboter zahlreiche komplexe Aufgaben übernehmen können, die bisher von Menschen erledigt wurden.“ Damit einher gehen nach Ansicht der Professorin aber auch negative Aspekte, so seien beim selbstfahrenden Auto, technische Fehlreaktionen nicht auszuschließen. Die Arbeitswelt werde sich insgesamt, so Nothelle-Wildfeuer, nachhaltig verändern. Es werde Bereiche geben, in denen Roboter die bis her von Menschen ausgeführte Tätigkeit vollständig übernehmen werden. Das Verstärke die Befürchtungen vor wachsender Arbeitslosigkeit.
Die Professorin präsentierte Studien aus den USA, die zu dem Ergebnis kommen, dass dort „47 Proezent der Beschäftigten Berufe ausüben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit automatisiert würden“. Die Automatisierung betreffe laut der Studie niedrig qualifizierte sowie niedrig entlohnte Beschäftigte. Allerdings gebe es auch andere Studien mit einer unterschiedlichen Herangehensweise, die zu weniger alarmierenden Ergebnissen kämen. So beschreiben Rinne und Zimmermann, dass dieser Fall in Deutschland bislang nicht eingetreten sei, und es eher einen Anstieg des Arbeitsvolumens gegeben habe. Sie empfehlen „Vorsicht bei der Beurteilung des technischen Automatisierungspotenzials und entsprechender Gefahren walten zu lassen“. Denn die Chancen, die in der Entwicklung liegen, dürfe man nicht übersehen.
Würde der menschlichen Arbeit
„Die grundlegende Bedeutung des Themas Arbeit für die katholische Soziallehre lässt sich auch soziaanthropologisch begründen: Arbeit ist menschliches Existential, das in dem und durch den Prozess der Moderne zu einem der zentralen Bereiche menschlicher Lebenswelt geworden ist“, ergänzte Nothelle-Wildfeuer. Ansätze und Erläuterungen zur gerechten Gestaltung der Erwerbsarbeit fänden sich in der Katholischen Soziallehre, aber auch in der ersten Sozialenzyklika von Papst Johannes Paul II, „Laborem exercens“. Demnach besitze jede menschliche Arbeit die gleiche Würde. Denn erster Zweck jeder Arbeit, und sei sie auch die niedrigste Dienstleistung „bleibt letztlich immer der Mensch selbst“ (LE 6,6). Daraus ergebe sich die Frage: Wie kann im Zusammenspiel mit den realen ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten eine menschenwürdige Ordnung in der Arbeitswelt geschaffen werden?
Sieben Gebote für die Arbeit 4.0
Nothelle-Wildfeuer stellte sieben Gebote für die Arbeit 4.0 aus der Enzyklika „Caritas in veritate“ vor:
Die Arbeit soll frei gewählt sein;
Die Arbeit soll alle Arbeitnehmer, Männer und Frauen, wirksam an der Entwicklung ihrer Gemeinschaft teilhaben lassen;
Die Arbeit soll es den Arbeitern erlaube ohne Diskriminierung geachtet zu werden
Die Bedürfnisse der Familie sollen durch die Arbeit befriedigt werden und Kinder sollen zur Schule geschickt werden, ohne dass diese gezwungen sind zu arbeiten;
Die Arbeit soll den Arbeitnehmern ermöglichen, sich frei zu organisieren und sich an Entscheidungen zu beteiligen;
Neben der Arbeit soll genügend Raum sein, die eigenen persönlichen, familiären und spirituellen Wurzeln zu finden;
Die Arbeit soll auch den in Rente eingetretenen Arbeitnehmern würdige Lebensverhältnisse sichern.
Deshalb müsse, so die Professorin, „Arbeiten, auch Arbeiten 4.0 unter menschenwürdigen Bedingungen geschehen, damit das menschliche Existenzial positiv zur Entfaltung kommen kann.“
Beschleunigte Entwicklung
In der von der Erfurter Kirchenrechtlerin Prof. Dr. Myriam Wijlens moderierten Diskussion machten Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer und Prof. Dr. rer. nat. Margot Ruschitzka, Unternehmensberaterin für Innovation und Technologie, Professorin für Ingenieurmathematik und Datenverarbeitung an der Technischen Hochschule Köln, ihre unterschiedlichen Auffassungen deutlich. Während Nothelle-Wildfeuer noch einmal auf die Gefahren der fortschreitenden Digitalisierung aufmerksam machte, wies Ruschitzka auf die Chancen dieser Entwicklung hin. Digitalisierung sei schließlich, so Ruschitzka, kein ganz neues Phänomen. Der Prozess habe sich in den letzten Jahren nur rasant beschleunigt. Dennoch sollte Menschlichkeit eine größere Rolle in der Arbeitswelt einnehmen. Die Digitalisierung erfordere entsprechende Arbeitsschutzgesetze. Man dürfe in der Debatte nicht vernachlässigen, dass neue Technologien die Rahmenbedingungen für ein würdevolles Arbeiten zum Teil verbesserten
Nothelle-Wildfeuer zitierte Papst Franziskus aus seiner Rede beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Er habe betont, dass sich der Mensch nicht von der Technik beherrschen lassen dürfe. Für Crowdworker etwa, die auf bestimmte Tätigkeiten angewiesen seien, bestehe die Gefahr, von der technischen Entwicklung überrollt zu werden. Wie könne weiterhin menschenwürdiges Arbeiten gewährleistet werden, wenn Firmen ihre Sitze und Produktionsstätten im Ausland hätten, wo deutsche Gesetze nicht griffen? Man müsse aber immer beide Seiten der Medaille betrachtet. Das seien auf der einen Seite die kreativen, hoch entwickelten, gebildeten und vor allem geeigneten Arbeitnehmer und auf der anderen Seite diejenigen, die bezüglich der Wahl ihrer Arbeit keine wirkliche Entscheidungsfreiheit hätten. Gerade diese Menschen dürfe man nicht vernachlässigen.
In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurde die Frage vertieft, inwieweit die Soziale Marktwirtschaft durch die „Sharing Economy“ durch Unternehmen wie „Uber“ oder „AirBnB“, die lediglich Plattformen böten, beschädigt werde. Professorin Ruschitzka machte deutlich, dass der Mensch nicht ersetzt werden könne. Es komme darauf an, was mit dem Internet der Dinge gemacht werde, um daraus einen Mehrwert zu schaffen. Es muss verantwortungsbewusst damit umgegangen werden. Auch sei es die Verantwortung des Einzelnen sich weiterzubilden und sich mit dem Thema der Digitalisierung zu befassen.