25.03.19 | Vortrag und Gesprächsrunde mit Philipp Freiherr zu Guttenberg
Am 25.3. hatte die DG Berlin-Brandenburg den ehem. Präsidenten des Waldeigentümerverbandes, Philipp Freiherr zu Guttenberg, zu Gast. Thema des fulminanten und nicht nur die wirtschaftliche und politische Realität sondern auch deutsches Selbstbild und Selbstwahrnehmung berührenden Vortrags war: “Der Deutsche Wald – Identität und Aufgabe“ (Untertitel: Märchen oder Wirklichkeit?). Dass Deutschland den höchsten Waldvorrat innerhalb der EU aufweist (weltweit Platz 9, der bayrische Wald, was die Dichte angeht sogar Platz 1) und Wald-, Forst- und Papierwirtschaft mit 1,3 Millionen Beschäftigten, und damit fast doppelt so viele wie die Automobilbranche, einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor im Land darstellen, war dem einen oder der anderen vielleicht bekannt. Dass diese ca. 181 Mrd. Euro umsetzt, sorgt aber vielleicht für Überraschung. 2 Millionen Deutsche sind Waldbesitzer, was Wald zu einer der wesentlichen Vermögensformen in Deutschland macht.
Überraschend für die meisten war auch der Befund, dass es dem deutschen Wald aktuell sehr gut geht - auch wenn der Klimawandel vieles natürlich in Frage stellt. Die deutschen Wälder sind so alt wie noch nie, Bäume so stark wie noch nie, Artenvielfalt so groß wie noch nie.
Aufgeräumt wurde mit dem Mythos, dem deutschen Wald sei es früher besser gegangen. Der absolute Tiefpunkt war hingegen um das Jahr 1700. Aus einem Inspektionsbericht aus dem Harz um das Jahr 1690: „Nach vierwöchigem Beritte, war kaum mehr ein Baum zu finden, dick genug, um einen Förster daran aufzuknüpfen“. Dies war sicher eine positive Nachricht – auch wenn mit dem Klimawandel neue Herausforderungen auf die deutschen Waldeigentümer und ihre Wälder zukommen. Der Wald selber puffert aber bereits jetzt 13% des deutschen CO2-Austausches.
Besonders beeindruckend und bleibend war das Plädoyer für eine realistische Politik in Deutschland, wofür der Wald an sich ein Modell und eine vernünftige Wald- und Umweltpolitik ein wichtiges Beispiel wären. Der deutsche Wald in seiner gegenwärtigen Form ist eine Kulturleistung par excellence, die die gegebene Natur veredelt und ausbaut. Freiherr zu Guttenberg forderte eine realistische und bewusste Einstellung zum Wald, jenseits jeder esoterischen Überhöhung, wie sie gerade auch für städtische und umweltbewusste Milieus typisch sind. Folge dieser Überhöhung seien oft Politikansätze, die oft erhebliche ökologische und ökonomische Schäden anrichten und häufig Spielarten einer letztlich misanthropen Haltung sind.
Zu oft kommt es hierzulande zu einer Natur- bzw. Waldvergötzung, die insbesondere auch diejenigen, die mit und im Wald arbeiten, sehr kritisch sehen – vor allem, da gerade die gleichen „Waldschützer“ gerne Waldmöbel und -häuser besitzen, welche aber anscheinend „gefühlt direkt bei IKEA wachsen... Der Spalt zwischen Stadt- und Landrealitäten, zwischen Anspruch, Märchen und Wirklichkeit wird immer tiefer. Und damit auch der Graben zu jenen, die Tag für Tag unsere Böden bewirtschaften. Die unsere Nahrungsmittel herstellen und unsere Heimat pflegen und bewahren. ... Ihnen gegenüber stehen die Anderen, die unsere Lebensgrundlage – also den Wald und die Flur - nur mehr als Kulisse für Ihr persönliches Fitnessstudio, als esoterischen Rekonvaleszens-Raum oder als Dackel-Flaniermeile mit Abwurstgarantie sehen. Als Waldbesitzer, Förster oder Jäger werden wir im besten Falle als unliebsamer Störenfried wahrgenommen.“
Diese Diagnose sollte allen zu denken geben. Dem deutschen Wald gehe es so gut wie nie zuvor. Aber der deutschen Seele wohl nicht. Der Appell zu einer mehr Vernunft und Realismus und weniger Märchen und Weltverbesserungseifer klingt nach.
Bericht: Jan-Philipp Görtz | Fotos: Norman Gebauer | Bildercollage: Fides Mahrla