22.01.18 | Vortrag von Dr. Alexander Kissler
Die zentrale Frage der BKU-Abendveranstaltung drehte sich schließlich darum, ob die Menschenrechte auch islamisch hergeleitet werden können. Stellt man die westliche Universalität der islamischen Legitimität gegenüber, so wird klar, dass die Rechtsauffassung der Scharia einerseits die Existenz von Menschenrechten zugesteht, diese aber andererseits systematisch aushebelt. Das Recht auf Leben und Freiheit sei zwar an sich heilig, könne aber je nach Auslegung durch die Scharia angetastet oder eingegrenzt werden. Schamloses Tun hebe gar die Meinungsfreiheit auf, weshalb der Terroranschlag auf die Redaktion der Zeitschrift Charlie Hebdo im Sinne der Scharia durchaus als eine legitime Gegenreaktion auf eine provozierende Satire aufgefasst werde. In der Kairoer Erklärung von 1981 sei proklamiert worden, dass die Menschenrechte zwar seit Mohammed als existent anerkannt und sogar göttlich gewährt wären, aber in ihrer konkreten Ausdeutung und Anwendung durch die Scharia veränderbar und begrenzbar seien. Stets bestehe also die Möglichkeit, Rechte von Individuen außer Kraft zu setzen, wenn es die Scharia-Exekutive für notwendig halte.
Wer aus dem Islam austrete, begehe politischen Verrat. Daraus werde zum einen deutlich, dass der Islam mehr eine Herrschaftsform als pure Religion sei, zum anderen die islamischen Menschenrechte aber nicht als universale Menschenrechte aufgefasst werden könnten. Nach der Kairoer Erklärung sei „der Islam die Religion der unverdorbenen Natur“, dessen fundamentale Aussagen aber immer durch die Scharia relativiert werden könnten.
Alexander Kissler schloss seinen Vortrag mit der Aufforderung, eine Brücke zwischen der Geschichte und der aktuellen Situation zu bauen. Als „Mensch des Westens“ müsse man die Lehren der Vergangenheit stets im Bewusstsein haben und auskunftsfähig werden, um den eigenen Standpunkt im Einklang mit gelebter Toleranz vertreten zu können.
Bericht: Michael Rassinger | Foto: Norman Gebauer
Weiterführende Informationen und Lesetipps:
Keine Toleranz den Intoleranten: Warum der Westen seine Werte verteidigen muss
2015, ISBN 978-3579070988
Papst im Widerspruch: Benedikt XVI. und seine Kirche 2005-2013
2013, ISBN 978-3629022158
Der aufgeklärte Gott: Wie die Religion zur Vernunft kam
2009, ISBN 978-3629021885
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