Am 9.11.2021, einem für Berlin und Deutschland hoch geschichtsträchtigen Datum, war das - aktuell - ehemalige Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, Marcel Luthe, zu Gast beim monatlichen BKU-MIttagstisch im International Club Berlin. Luthe hatte in der letzten Legislaturperiode mehr Anfragen an den Berliner Senat eingereicht als die Fraktionen von Grünen, SPD und Linkspartei gemeinsam.
Der Abgeordnete skizzierte das Instrument der parlamentarischen Anfrage als ein ganz wesentliches Kontrollinstrument des Parlaments, das er als Vertreter des Souveräns, nämlich der Bevölkerung von Berlin, bezeichnete. Luthe gab den anwesenden 25 Gästen bei seinem Impulsreferat ein erschütterndes Zeugnis über den Zustand der Stadt und des Stadtstaates Berlin. Sein Zeugnis-Bericht über den Verlauf der Wahlen in Berlin im September 2021 zwang beinahe zu der Einsicht, dass das parlamentarisch-demokratische Modell in Berlin und auch in Deutschland gescheitert sein könnte.
Es sei bereits „5 nach 12“ und die Uhr betreffend viele Entwicklungen bereits abgelaufen. Angesichts der Skandale in Berlin, zuletzt um die Wahlunregelmäßigkeiten am 26. September bermerkte Luthe: „Das ist geschehen. Und folglich kann es auch wieder geschehen.“ Dieses Zitat des KZ-Überlebenden Primo Levi müsse zu denken geben. Denn, wenn ein Verbrechen oder Vergehen einmal vorkomme, wisse man, dass es möglich sei und vermutlich wieder vorkommen könne und wohl auch werde. Die Unregelmäßigkeiten in Berlin, von denen Luthe berichtete, seien derart gravierend, dass sie bei zugleich fehlender Aufklärung kaum noch durch Wahlen künftig korrigierbar seien. Aus diesem Grund habe er gerichtliche Verfahren angestrengt, deren Verlauf er allerdings ebenfalls mit Skepsis betrachte.
Gründe für die Missstände in Stadt und Land seien nicht allein in bloßer Manipulation und Missmanagement zu suchen, sondern wohl auch in einer immer weiter wuchernden organisierten und in Teilen bereits mafiösen Kriminalität. Wenn die Verwaltung in Berlin beispielsweise Stoffmasken für 29,99 Euro je Stück für insgesamt 150 Mio. Euro eingekauft habe und 5,4 Mrd. Euro Mehrkosten am BER angefallen seien, dann gehe dies zum Großteil auf mafiöse Geschäfte und Strukturen in Verwaltung, Politik und Wirtschaft zurück.
Die Frage, was angesichts der Tatsachen zu tun sei beantwortete er - falls sein gerichtliches Vorgehen erfolglos bleiben sollte - mit der Sentenz: „Dann bleibt nur noch Beten oder Auswandern".
Jan-Philipp Görtz