Vortrag von Prof. Dr. Birg (Foto: Norman Gebauer)

Politik und Gesellschaft auf dem Weg in die demografische Sackgasse

29.04.19 | Bevölkerungswissenschaftler Prof. Dr. Herwig Birg

DG Vorsitzender Richard Schütze (l.) und Prof. Dr. Herwig Berg (Foto: Norman Gebauer).

Zentrale Inhalte des Vortrags

Falsch ist insbesondere die Vorstellung einer immer weiter wachsenden Weltbevölkerung. Dies ist falsch. In den 1960er Jahren war der Welt-Durchschnitt 5 Kinder / Frau, heute weltweit 2,4. Bevölkerungserhaltungsquote ist 2,13 / Frau. Ab 2040 wird diese weltweit unterschritten. Ab 2070 schrumpft die Weltbevölkerung vom dann erreichten Maximum von 11 Mrd. Menschen

Falsch ist weiterhin die Vorstellung, es gäbe nicht genug Ressourcen. Ressourcen und Umwelt sind nicht das Problem - abgesehen vom Artensterben. Echte Probleme sind nur die aus Wachstum und Migration erwachsenden Herausforderungen für Verteilung, Kultur, Integration - letztlich politische Probleme, die aber auch Chancen eröffnen.

Demographische Entwicklungen verlaufen mit einer Dynamik, die kurzfristig nicht abwendbar ist. Obwohl die Folgen der demographischen Entwicklung - auf Wirtschaftswachstum, Verteidigung, Kulturerhalt, Sozialsysteme - bereits seit den 80er Jahren sichtbar sind, fehlt es heute immer noch vielfach an einer Wahrnehmung für das Problem, seine Gründe und Auswirkungen - geschweige denn der Umsetzung von Gegenmaßnahmen.

Alle Demographie-Lehrstühle in D, die in den 70er / 80er Jahren gegründet wurden, sind inzwischen abgeschafft und durch eine Vielzahl von Gender-Lehrstühlen ersetzt worden.

Hauptursache für Bevölkerungsschrumpfung sind nicht hauptsächlich geringere Kinderzahlen bei den Frauen, die Kinder bekommen, sondern die explosiv ansteigende Zahl der Frauen, die kinderlos bleiben, ebenso wie das spätere Alter der Erstgeburten (1966: <25 Jahre, 2017: >29 Jahre). Hierbei starke regionale Unterschiede. 30% der Frauen in den alten BL, 15% in den neuen BL sind kinderlos. Je höher die Bildung, desto größer die Wahrscheinlichkeit der Kinderlosigkeit… 15% der Köchinnen, aber 30% der Ärztinnen, 40% der Natur- / Geisteswissenschaftlerinnen, 45% der Künstlerinnen, 70% der Journalistinnen…

Weitere Ursache ist die Diskriminierung von Familien durch Doppelbelastungen, Steuern und Erziehungsausgaben für Beitragszahler/innen von morgen (eigenen Kindern). Hier muss die bereits vom BVErfG festgestellte VerfWidrigkeit der PV zB dringend behoben werden.

Hauptfolgen werden sein, dass umlagefinanzierte Sozialsysteme nicht mehr bezahlbar bleiben. Wir bräuchten daher massive Beitragserhöhungen (zB Rente von 20% auf 40% der Einkommen) bzw Reduktion der Rentenbeträge von 70% auf 30% des Einkommens). Alternativ ist eine Steigerung des Rentenalters auf 75 Jahre nötig. Hierdurch wäre aber das Problem mangelnden Pflegepersonals (und einer notwendigen Abwerbung von Personal aus ärmeren Ländern (Osteuropa, Naher Osten, Afrika - mit entsprechenden Folgen für dortige Versorgung mit Fachpersonal) nicht gelöst. So sind 10% der Männer sowie 15% der Frauen über 75 Jahre pflegebedürftig (zwischen 85-90 29% der Männer und 41% der Frauen, über 90 Jahre, was zunehmend erreicht wird 38 % der Männer und 68% der Frauen…) . Auch Kapitalgedeckte Alterversorgung ist keine Lösung, da diese beim „Einkassieren“ zu Kapitalschwemme sorgt, die die Zinsen senkt und Risiken am Kapitalmarkt vermehrt, die wiederum Kinderverzicht rational machen.

Konflikte, die zu erwarten sind:
1) Generationenkonflikt
2) Kinderlose vs Kinderreihe
3) Regionale Konflikte
4) Integrationskonflikte - da Bildungsaffinität stark unterschiedlich ausgeprägt und Migrantenquoten inzwischen in der jungen Generation 30-40%. Deutsche ohne Schulabschluss 1,5%. Migranten ohne Schulabschluss 15-25%.

Ein Stillstand - Status-Quo-Erhalt geht ohnehin nicht mehr. Dafür sind wir zu weit in der Kurve. D braucht so bis 2050 um eine konstante Bevölkerung zu behalten 17,2 Mio, um eine konstante arbeitstätige Bevölkerung (15-64 Jahre) zu behalten 24,3 Mio und um eine konstante Relation Alte (>64 Jahre) und arbeitende Bevölkerung (15-64 Jahre) zu behalten 181,3 Mio Einwanderer. Ohne Steigerung der Kinderquote wird sich die arbeitende Bevölkerung in D selbst bei 300.000 Einwanderern pro Jahr bis 2100 halbieren.

Programm:
1. Urteile zu PV/KV/RV umsetzen und Kinder berücksichtigen
2. Wahlfreiheit für Familien bzgl der Betreuung von Kindern (ob / wo)
3. Vorrang von Eltern bei Quoten. Eltern- und Mütterquoten statt Frauenquoten
4. Finanzausgleich (bzw Ausgleich in den Sozialsystemen) zwischen Abwanderungs- und Zuwanderungsregionen in D (EU?)
5. Familien- statt Ehegattensplitting (bspw auch Steuerfreiheit ab 4. Kind - wie Ungarn)
6. Familienwahlrecht
7. Bildungsinitiative für Migranten
8. Bildungsinitiative für (potentielle) Eltern: Eltern sein ist gut, wichtig und schön!
9. echte Produktivitätssteigerungen (nicht nur Technizitätssteigerungen)

Bericht: Jan-Philipp Görtz | Fotos: Norman Gebauer

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